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Weltzugvogeltag 2024 im Landkreis Diepholz: Wie schützen wir Zugvögel bei uns in der Region?

Gebietsbetreuer Cedric Gapinski aus dem Wiesenvogelschutzprojekt LIFE IP „GrassBirdHabitats“ berichtet


Cedric Gapinski ist Gebietsbetreuer der Staatlichen Vogelschutzwarte des NLWKN in Südniedersachsen. (Foto: S. Haack/R. Schäfer)   Bildrechte: S. Haack/R. Schäfer
Cedric Gapinski ist Gebietsbetreuer der Staatlichen Vogelschutzwarte des NLWKN in Südniedersachsen. (Foto: S. Haack/R. Schäfer)

Landkreise Diepholz und Nienburg, Cedric Gapinski arbeitet seit 2022 an der Niedersächsischen Vogelschutzwarte für das EU-Projekt LIFE IP „GrassBirdHabitats“ als Gebietsbetreuer für die Region Südniedersachsen in den Landkreisen Diepholz, Nienburg/Weser und in der Region Hannover. Die bedrohten Arten wie Uferschnepfe, Rotschenkel und Kiebitz, auf die sich das Projekt bezieht, leben auch bei uns in der Diepholzer Moorniederung, insbesondere im Naturschutzgebiet Bleckriede. Am 11. Mai ist Weltzugvogeltag, an dem diese sogenannten „Langstreckenzieher“ passenderweise ihre Brutzeit bei uns im Norden verbringen. Erst im Spätsommer und Herbst geht es wieder in ihre Rast- und Überwinterungsgebiete entlang des Atlantiks von Portugal bis Guinea-Bissau. Gemeinsam mit knapp 50 Mitarbeitenden im Projekt werden verschiedene Schutzmaßnahmen umgesetzt, um für bedrohte Zugvogelarten ideale Brutbedingungen in ihrem nordischen Zuhause zu schaffen. Das internationale Projekt schützt Wiesenvögel sowohl in Niedersachsen und Friesland in den Niederlanden, als auch auch entlang ihrer gesamten Zugroute. Cedric Gapinski zeigt einen Einblick in die Arbeit der Vogelschutzwarte des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und ein außergewöhnliches Arbeitsfeld.

Welche Wiesenvogelarten gibt es bei Ihnen im Naturschutzgebiet Bleckriede und wie geht es Ihnen während der aktuellen Brutsaison?

Die Bleckriede ist in guten Fühjahren − das heißt Jahren mit genügend Niederschlag − eines der Top-Brutgebiete in Niedersachsen. Bisher läuft die diesjährige Brutperiode dank der ergiebigen und regelmäßigen Niederschläge sehr positiv. Circa 185 Kiebitz-Brutpaare mit mehreren Zweitbruten und an die 40 Paare Uferschnepfen haben die Kollegen des BUND Diepholzer Moorniederung, der ökologischen Station vor Ort, bislang gezählt. Das sind Rekordwerte, seit hier aktiv Wiesenvogelschutz betrieben wird. Auch bei den Rotschenkeln sieht es gut aus. Und etwas ganz Besonderes können wir berichten: Dieses Jahr brütet hier die Spießente. Die Art ist in Deutschland stark gefährdet und in Niedersachsen vom Aussterben bedroht. Der Bestand wurde zuletzt landesweit mit nur noch zwei Paaren angegeben. Nun hoffen wir, dass bis zum Ende der Brutzeit keine längeren Trockenperioden auftreten und sich auch ein ausreichender Bruterfolg einstellt.

Welche Schutzmaßnahmen konnte das Projekt für die bedrohten Wiesenvögel hier vor Ort bereits umsetzen?

In der Bleckriede wird schon seit einigen Jahren viel vom BUND und unseren Kolleginnen und Kollegen vom regionalen Naturschutz im NLWKN unternommen. Die Zusammenarbeit mit diesen Partnern und unter anderem mit dem Landkreis Diepholz und dem Amt für regionale Landesentwicklung Leine-Weser, läuft wirklich gut. Mit dem Bau des Stausystems vor über 20 Jahren zur Anhebung der Wasserstände und der Einzäunung der wichtigsten Brutflächen seit über zehn Jahren konnte viel erreicht werden. Die Stauanlagen sind inzwischen aber in die Jahre gekommen, und die Frühjahre waren zuletzt meist zu trocken. Wir wollen möglichst noch dieses Jahr das Stausystem modernisieren. Außerdem ist viel geplant, um die Bleckriede und weitere Gebiete in der Diepholzer Moorniederung zu verbessern. Aktuell geht es aber zentral darum, den Status quo durch Instandsetzungen zu sichern. Die Rahmenbedingungen mit Erwärmung, ungleichmäßigen Niederschlägen, die häufig kostenintensive Pflege der Feuchtgrünländer und die sich zuspitzende Gefährdungslage der Wiesenvögel allgemein, stellen uns vor große Herausforderungen.

Sind erste Erfolge in der Region bereits sichtbar?

Vor zwei Jahren ist uns in der Bleckriede die langjährige Pflege der Brutflächen aus Kostengründen praktisch weggebrochen. Das hätte ziemlich dramatisch werden können, aber wir haben hier alle besonnen und gut zusammengearbeitet und konnten negative Auswirkungen auf das Brutgeschehen verhindern. Während wir im LIFE-Projekt für einige Jahre erfolgreich Fördergelder für die Mahd des Grünlandes beantragt haben, konnte der regionale Naturschutz des NLWKN, der für die Landesnaturschutzflächen zuständig ist, zahlreiche Flächen neu verpachten. Die anderen bereits erwähnten Partner haben uns dabei ebenfalls unterstützt. Rückblickend haben wir diese Situation mit vereinten Kräften sehr gut gemeistert. Da es ähnliche Probleme in praktisch allen Wiesenvogelgebieten gibt, arbeiten wir im LIFE-Projekt auf allen Ebenen an dauerhaften Lösungen.

Wie können wir uns einen Arbeitsalltag mit den gefiederten Schützlingen vorstellen?

Bei mir sieht der Alltag als Gebietsbetreuer anders aus als bei manchen meiner Kollegen, denn mein Büro in Hannover ist verhältnismäßig weit von den Schutzgebieten der Vögel entfernt. Ich bin also vergleichsweise selten direkt vor Ort. Bestandsaufnahmen, Gelegeschutz und all die anderen unverzichtbaren Arbeiten auf den Flächen macht in der Diepholzer Moorniederung der BUND. Als LIFE IP-Gebietsbetreuer muss man in jedem Gebiet mit dessen eigenen Akteurskonstellation seinen Platz finden. Das heißt: Dort unterstützen, wo es fehlt und nicht jemandem die Arbeit wegnehmen, der diese schon lange und gut macht. Im Fall der Diepholzer Moorniederung fehlen meist Zeit und Ressourcen dafür, die Gebiete weiter zu entwickeln. Da setzte ich an, in dem ich gemeinsam mit den anderen LIFE IP-Gebietsbetreuerinnen und -betreuern Fördergeld für Entwicklungsmaßnahmen einwerbe und dieses dann einsetze. In meinem Fall passt also die englische Bezeichnung Site Manager („Site“ = „Ort“ oder hier dann „Gebiet“) besser, weil die Gebietsbetreuung im Sinne des fortlaufenden Kümmerns vor Ort, das der BUND schon seit vielen Jahren übernimmt. Wenn ich selbst dann draußen vor Ort bei den Wiesenvögeln bin, hole ich mir durch die beeindruckten Flugmanöver der Kiebitze und durch die friedsame Geräuschkulisse die Motivation, die ich für die weniger schönen Teile meiner Arbeit brauche.

Welche Herausforderungen und Ziele gibt es in der Diepholzer Moorniederung zu bewältigen?

Wenn wir es in den nächsten ein oder zwei Jahren geschafft haben, die Gebiete in ihrer jetzigen Qualität zu sichern, dann geht es an deren Weiterentwicklung. Pläne gibt es durch die schon Jahrzehnte lange Arbeit genügend. Es fehlt aber neben finanziellen Mitteln vor allem an einem: An den Flächen zum Vogelschutz. Um die Gebiete zu vergrößern, brauchen wir Zugriff auf bestimmte Flächen. Hier gilt es, mit den Eigentümern Einigungen zu finden, mit der beide Seiten gut leben können. Außerdem fehlen ein paar wichtige Daten, um die bestehenden Planungen auf belastbare Füße zu stellen und die Vernässung von Brutgebieten weiter optimieren zu können. Die dazu benötigten Arbeiten sind entweder kurz vor der Beauftragung oder deren Förderung ist beantragt.

Was macht die Arbeit mit Zugvögeln so faszinierend?

Einfach zu wissen, ich sehe jetzt diese Vögel Jahr für Jahr für einige wenige Monate, und in der Zeit, wo man sie hier nicht sieht, leisten sie Unfassbares und sehen mehr von der Welt als die meisten Menschen. Das finde ich faszinierend. Wie viel Kilometer zum Beispiel eine Uferschnepfe am Stück fliegen kann und was unterwegs so alles passieren kann. Wir haben durch die Sendervögel in unserem Projekt ja viele faszinierende Einblicke. Es steht in keinem Verhältnis, was so kleine Vögel erreichen, und wie viele Menschen den Lebensraum dieser schützenswerten Vögel zerstören, sie fangen oder essen. Wir alle sollten Respekt vor der Natur, Tieren und besonders vor den Leistungen der Zugvögel haben.

Gibt es einen idealen Zeitpunkt um Zugvögel bei uns in Niedersachsen zu beobachten?

Kraniche zum Beispiel sehe ich gefühlt immer zu Hauf, wenn ich dort unterwegs bin. Generell gibt natürlich zwei Zeiträume, im Frühling und im Herbst. Die Wiesenvögel kann man vor allem früh im Jahr schon beobachten. Die Kiebitze kommen zuerst, schon Anfang Februar in großer Zahl. Schon im Sommer ziehen sie dann wieder nach und nach ab. Die Kraniche kann man am besten beobachten, bevor sie sich sammeln, um abzufliegen, ab September, insbesondere im Oktober. In der Diepholzer Moorniederung habe ich den Eindruck, dass man das ganze Jahr über sehr gut Vögel beobachten kann.


Hintergrundinformation zum LIFE IP Projekt „GrassBirdHabitats“ (LIFE19 IPE/DE/000004)

Der Schutz von Wiesenvögeln wie Uferschnepfe, Kiebitz und Brachvogel sowie deren Lebensräumen stehen im Fokus des von der Europäischen Union im Rahmen des LIFE-Programms geförderten Projekts. Ziel ist es, ein strategisches Schutzkonzept für Wiesenvogellebensräume in Westeuropa zu entwickeln, um Aktivitäten zu vernetzen und gezielte Schutzmaßnahmen abzustimmen. In Niedersachsen werden hierfür in 27 Projektgebieten wie beispielweise am Dümmer, der Unterelbe oder der Hunteniederung, wiesenvogelfreundliche Maßnahmen umgesetzt. Hier gilt es beispielsweise, die Flächennutzung zu extensivieren und die Wasserstände zu optimieren.

Das Gesamtbudget des über zehn Jahre laufenden Projekts beträgt rund 27 Millionen Euro, darin zwölf Millionen Anteil des Landes Niedersachsen. Das Niedersächsische Umweltministerium als Projektträger hat die Staatliche Vogelschutzwarte im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) mit der Umsetzung des Projekts beauftragt. Partner in Niedersachsen sind die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer und das Büro BioConsultOS. Projektpartner in den Niederlanden sind die Provinz Friesland, die Universität Groningen sowie die landwirtschaftliche Kooperative Collectief Súdwestkust (SWK) und der Naturschutzverband BondFrieseVogelWachten (BFVW). Im Rahmen des Projektes werden über 40 Arbeitsplätze der einzelnen Projektpartner finanziert.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
08.05.2024
zuletzt aktualisiert am:
10.05.2024

Ansprechpartner/in:
NLWKN Pressestelle

Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
Göttinger Chaussee 76a / Am Sportplatz 23
30453 Hannover / 26506 Norden
Tel: +49 (0)511 3034-3322 sowie +49 (0)4931/ 947 -173 und +49 (0)4931/ 947 -181
Fax: +49 (0)4931/947 - 222

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