Die Aller
Die Aller durchfließt mit einer Lauflänge von rund 260 Kilometern von der Quelle bis zur Mündung in die Weser bei Verden die naturräumlichen Regionen Lüneburger Heide, Weser-Aller-Flachland und Börde als „Sand- und lehmgeprägte Tieflandfluss“. Unterhalten wird der Fluss zwischen der Einmündung der Oker und den Mühlenwehren in Celle durch die Betriebsstelle Süd des NLWKN.
Neue Chancen für "Aufsteiger"
Das Aller-Wehr Osterloh wird ökologisch durchgängig
Von Detlef Kirstein
Nach mehrjähriger Planung und Beilegung eines Rechtsstreits haben im Frühjahr 2021 endlich die Bauarbeiten zur Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit am Wehr Osterloh begonnen. Der Anschluss eines Altarms und die angestrebte Passierbarkeit für Fische und andere Wasserorganismen ist ein weiterer Baustein für das nach EG-Wasserrahmenrichtlinie geforderte langfristige Ziel für die Aller: Das Erreichen eines „guten ökologischen Zustands“ des Gewässers.
Fische, die den 260 Kilometer langen Fluss durchqueren wollen, haben es bisher nicht leicht: In den 1960er Jahren wurde die Aller ausgebaut und ihr Lauf stark verkürzt. Durch die Aufnahme der Gefällesprünge entstanden zahlreiche Stauanlagen und verbaute Streckenabschnitte, die die Verbindungsfunktion der Aller erheblich eingeschränkt haben. In diesem Zuge erfolgte auch der Bau des Wehres Osterloh. Entsprechend ist die Aller heute in diesem Abschnitt als „erheblich veränderter Wasserkörper“ eingestuft.
Bei den Bemühungen des Landes, diese ungünstigen Bedingungen am Gewässer zu verbessern, waren nicht zuletzt wegen der räumlichen Nähe zum Stadtgebiet Celle viele Randbedingungen bereits im frühen Planungsstadium zum Umbau des Aller-Wehrs zu berücksichtigen. Neben den technischen Anforderungen musste den umfangreichen Freizeitnutzungen durch Radfahrer, Wanderer, Spaziergänger und Wassersportler Rechnung getragen werden. Vor diesem Hintergrund beinhaltet die Maßnahme ebenso Umtragemöglichkeiten für Boote, als auch den Bau einer neuen Brücke für Radfahrer und Wanderer über den an die Aller anzuschließenden Altarm.
Auch besondere naturschutzfachliche Anforderungen mussten von den Planern berücksichtigt werden: Insbesondere waren die Umbauten so zu gestalten, dass auch der bisher in abflussarmen Zeiten durch die Wehrsteuerung gehaltene Oberwasserspiegel erhalten bleibt. Denn er ist wesentlich für die Wanderung und den Rückzug aquatischer Lebewesen in die angrenzenden Fließgewässerstrecken und Altgewässer. Auch die Gefahren während eines Hochwassers durften durch die Baumaßnahme nicht nachteilig beeinflusst werden.
Das im FFH-Gebiet „Aller (mit Barnbruch), untere Leine, untere Oker“ gelegene Planungsgebiet besteht aus dem Wehrstandort, einem Altarm und den vom Altarm umschlossenen Flächen südlich des Ortsteils Osterloh der Stadt Celle. Sowohl die Lage als auch der Zustand des 1.600 Meter langen Altgewässers boten günstige Bedingungen, gerade an dieser Stelle eine ökologische Durchgängigkeit der Anlage herzustellen.
Im Rahmen der hier im Frühjahr begonnenen Arbeiten ist vorgesehen, die Wehrklappe und die Wehrsteuerung komplett zurückzubauen. Brücke und Wehrwangen sowie das Steuerhaus bleiben erhalten. Der Altarm wird über ein Raugerinne an das Oberwasser angeschlossen. Das Raugerinne selbst wird mit Steinriegeln und Beckenstrukturen naturnah gestaltet.
Um eine Fischwanderung möglichst an 300 Tagen im Jahr zu gewährleisten, bilden die Abflusslagen Q30 und Q330 die Grundlage für die Gestaltung der Fischwanderhilfe. Q30 beschreibt den Abfluss, der an 30 Tagen, Q330 jenen, der an 330 Tagen im Jahr unterschritten wird. Im Rahmen der Planung wurde zudem eine hydraulische, zweidimensionale Berechnung durchgeführt. Als Grundlage für die Bearbeitung diente unter anderem ein neu erstelltes hydraulisches Modell des Planungsgebietes, welches anhand von Naturmessungen kalibriert wurde.
Der Altarm wird für das gesamte Abflussspektrum der Aller ausgelegt, um auch Hochwasserlagen bewältigen zu können. Im Oberwasserbereich des Wehres soll eine Schwelle dafür sorgen, dass der vorhandene Gewässerlauf auch weiterhin zur Entlastung zur Verfügung steht. Der Hauptabfluss erfolgt dagegen künftig über den neuen Gewässerabschnitt.
Das geplante Raugerinne wird naturnah gestaltet und fügt sich somit harmonisch in die bestehende Umgebung ein. Die Sohlbreite und die Böschungsneigungen werden daher an die bestehenden Gewässerverhältnisse im Oberstrom und im Altarm angepasst. Die Sohlbreite des zukünftigen Gewässers wird durchschnittlich 30 Meter betragen.
Durch die versetzt angeordneten Öffnungen der Riegel entsteht ein schlingenförmiger Strömungsverlauf. Becken links und rechts der Durchflussöffnungen dienen als wichtige Ruhezonen, in denen die Organismen bei der Bewältigung des Aufstiegs – wie ein Bergsteiger – eine Pause einlegen können. Bis August 2021 soll das ambitionierte Vorhaben an der Aller abgeschlossen sein.
Das neue Raugerinne in Osterloh Anfang Juni 2021
Artikel-Informationen