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Wenn der Dümmer am Steinhuder Meer verdunstet
Auswirkungen extremer Trockenjahre auf die Hydrologie und Gewässergüte des größten Sees Niedersachsens
Von Hans-Heinrich Schuster
Das Steinhuder Meer besitzt eine Wasserfläche von fast 30 Quadratkilometer, über die ein intensiver Energieaustausch mit der Umgebung stattfindet. Die extremen Bedingungen der jüngsten Trockenjahre hinterließen am größten niedersächsischen See ihre Spuren: Neben niedrigen Pegelständen und entsprechenden Nutzungseinschränkungen führten die ausbleibenden Niederschläge auch zu geringeren Nährstoffeinträgen. Die Unterwasservegetation profitierte vom günstigen Lichtklima.
Durch seine geringe mittlere Wassertiefe von nur 1,35 Meter wird der Seewasserkörper des Steinhuder Meeres windbedingt stetig durchmischt - die Wassertemperatur folgt zeitnah den Veränderungen der Lufttemperatur. Dabei sind tägliche Schwankungen von über 5°C im Sommerhalbjahr keine Seltenheit. Im Juli des Jahres 2018 konnte mit der Gütemessboje des NLWKN-Seenkompetenzzentrums eine maximale Wassertemperatur von über 31°C in einer Tiefe von einem halben Meter gemessen werden. Bei derartig hohen Umgebungs- und Wassertemperaturen kann es bereits bei schwachem Wind zu einer Verdunstung von bis zu 10 mm Wasser pro Tag kommen, die bei diesem überwiegend von Grundwasser gespeisten See zu erheblichen Wasserverlusten führt. Trotz eines verhältnismäßig regenreichen Winterhalbjahrs 2017/18 wurden im extremen Trockenjahr 2018 an der nahegelegenen Messstation des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Wunstorf lediglich 420 mm Niederschlag gemessen. Zum Vergleich: Der Jahresmittelwert der Jahre 2000 bis 2020 liegt hier bei 653 mm.
Der seit Mitte der 1990er Jahre deutlich rückläufige Trend der nördlich des Sees gemessenen Grundwasserstände verschärfte sich im Jahr 2018 und spiegelte sich auch im Pegelstand des Steinhuder Meeres wieder: Von Ende April bis Ende September 2018 fiel der Seewasserstand um 47 cm. Eine Wassertiefe von nur noch 88 cm war die Folge und führte zu erheblichen Nutzungseinschränkungen im Bereich des Wassersports und der Berufsschifffahrt. Der verdunstungsbedingte Wasserverlust des Steinhuder Meeres betrug Ende September rund 14 Millionen m³, was dem Seevolumen des zweitgrößten niedersächsischen Sees, des Dümmers, entspricht.
Die niedrigen Pegelstände schlugen sich auch in den Gütedaten des Steinhuder Meeres nieder: Durch das jährliche Monitoring der dortigen NLWKN-Überblicksmessstelle konnte im Jahr 2018 ein deutlich überdurchschnittlicher Trend im jahreszeitlichem Verlauf der Leitfähigkeit des Wassers beobachtet werden. Zwischen April und Oktober stieg sie von 320 auf 420 Microsiemens/cm an. Dieser überdurchschnittliche sommerliche Anstieg von mehr als 32 Prozent erklärt sich unmittelbar durch die verdunstungsbedingten Aufkonzentrationseffekte etwa bei anorganischen Ionen wie Natrium oder Chlorid, welche nicht oder nur unwesentlich an den biogenen Stoffumsätzen beteiligt sind.
Im Sommer 2018 führte die intensive Sonneneinstrahlung im Wasser des Sees durch die Photosynthese der planktischen Algen erwartungsgemäß zu einer regelmäßigen Verarmung an Kohlenstoffdioxid und einem Anstieg des Sauerstoffgehaltes. Während des Tagesverlaufs konnte daher verschiedentlich ein Anstieg des pH-Wertes auf nahezu zehn beobachtet werden. Gegen Abend stellte sich wiederholt eine Sauerstoffübersättigung von über 160 Prozent ein. Derartige sommerliche Extremwerte sind für nährstoffreiche Flachseen jedoch nicht außergewöhnlich.
Grundsätzlich konnten im Rahmen des vor dem Hintergrund der EG-Wasserrahmenrichtlinie vorgenommenen Monitorings keine signifikanten Verschlechterungen der Gewässergüte festgestellt werden. Die selteneren Niederschlagsereignisse im oberirdischen Einzugsgebiet des Sees führten jedoch zu verminderten Erosions- und Abschwemmungsprozessen und damit geringeren Nährstoffeinträgen über die zufließenden Oberflächengewässer. Sie könnten so eine Erklärung liefern für die leicht rückläufigen Gesamtphosphorgehalte im Seewasser.
Der niedrige sommerliche Wasserstand und das günstige Lichtklima zeigten in den Folgejahren sogar erste erfreuliche Auswirkungen auf die Unterwasservegetation: In den ufernahen Bereichen konnte bereits ein inselartiger Aufwuchs von Unterwasserpflanzen beobachtet werden.