Vorkommen von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) in den Sedimenten niedersächsischer Gewässer
20 Jahre WRRL - Ziel erreicht?
Von Mario Schaffer
Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind industriell hergestellte Stoffe, die nicht in der Natur vorkommen, also ausschließlich menschengemacht sind. Aufgrund ihrer langlebigen Eigenschaft reichern sie sich fortwährend in der Umwelt an. Nachweisbar sind sie beispielsweise in Böden, Gewässern, Lebens- und Futtermitteln sowie in Gegenständen des täglichen Bedarfs. In den vergangenen Jahren wurde zunehmend über gesundheitliche Wirkungen und Risiken berichtet.
Die Stoffgruppe der per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) umfasst mehr als 5.000 Einzelstoffe, welche aufgrund ihrer besonderen chemischen Eigenschaften und Stabilität in vielen industriellen Prozessen und Produkten Anwendung finden (zum Beispiel zur Oberflächenimprägnierung oder in Feuerlöschschäumen). Jedoch sind, trotz oder gerade aufgrund dieser Vorteile, viele dieser Stoffe als problematisch für die Umwelt anzusehen, da sie ein gewisses (öko)toxikologisches Potential aufweisen und oftmals – wenn überhaupt - nur zu Perfluoralkylsäuren (PFAA) abgebaut werden können, die ebenfalls nicht oder nur sehr schlecht abgebaut werden können und somit sehr lange Verweildauern in der Umwelt aufweisen. So werden PFAS mittlerweile global, selbst in den abgelegensten Regionen der Erde, nachgewiesen. Einige der Stoffe besitzen darüber hinaus die unerwünschte Fähigkeit sich in Organismen, zum Beispiel über die Nahrungskette, anzureichern (Bioakkumulation). Trotz dieser besorgniserregenden Stoffeigenschaften sind bisher nur sehr wenige PFAS gesetzlich reguliert und können überhaupt in der Umwelt mit den zur Verfügung stehenden Messverfahren überwacht werden. Innerhalb der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist die Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), derzeit der einzige Vertreter der PFAS-Stoffgruppe, der als sogenannter prioritärer Schadstoff mit einer Umweltqualitätsnorm („Grenzwert“) in Oberflächengewässern geregelt ist. Dessen Verwendung und In-Umlauf-Bringen ist bereits seit 2008 in der EU und seit 2009 weltweit stark eingeschränkt beziehungsweise verboten.
Um die Relevanz und Verbreitung weiterer Vertreter beziehungsweise der gesamten Stoffgruppe frühzeitig abschätzen zu können, wurde in den Jahren 2018 und 2019 ein Sonderuntersuchungsprogramm mit Sedimentproben von insgesamt 41 Untersuchungsstellen in niedersächsischen Oberflächengewässern, darunter alle 39 WRRL-Überblicks- sowie zwei Sondermessstellen, durchgeführt. Zusätzlich zur üblichen Einzelstoffanalytik, bei der nur eine geringe Anzahl von Stoffen erfasst werden kann, kamen zwei neuartige Verfahren zum Einsatz, die eine bessere Gesamtbetrachtung der PFAS-Stoffgruppe ermöglichen sollen. Beide Verfahren, das heißt sowohl die Bestimmung des extrahierbaren organisch gebundenen Fluorgehalts (EOF) als auch der Total Oxidizable Precursor (TOP)-Assay, basieren auf dem Prinzip, dass potentiell in der Probe enthaltene Vorläufersubstanzen in messbare Produkte umgewandelt und mittels Standardanalyseverfahren erfasst werden können (Abb. 1).
Die Ergebnisse der durchgeführten Monitoring-Studie bestätigten die erwartete, weitverbreitete (ubiquitäre) Belastung niedersächsischer Oberflächengewässer mit PFAS beziehungsweise weiteren fluorhaltigen organischen Stoffen. Durch die Bestimmung des EOF als Summenparameter konnten lokale Schwerpunkte mit fluorhaltiger organischer Belastung erkannt werden, die entweder bereits durch die herkömmliche Einzelstoffanalytik oder erst nach dem zusätzlichem TOP-Assay als PFAS-Belastungsschwerpunkte bestätigt werden konnten. Die höchsten Gehalte eines Einzelstoffes (PFOS) sowie der maximale EOF-Gehalt aller analysierten Proben wurden erwartungsgemäß im Sediment der Grollander Ochtum bestimmt. Diese wurde gezielt als Sondermessstelle mit bereits bekannter, hoher PFOS-Belastung ausgewählt, da sie im Zusammenhang mit früheren Feuerlöschübungen auf dem Bremer Flughafen steht. Weitere auffällige Belastungsschwerpunkte waren in den Flüssen Leine (Neustadt am Rübenberge), Fuhse (Wathlingen), Harle (Nenndorf), Hunte (Reithörne), Weser (Farge und Brake) und in der Ems (Gandersum) zu finden (Abb. 2, Abb. 3). Eine konkrete Quellenzuordnung war in den meisten Fällen, aufgrund der Gewässergröße und der Vielzahl möglicher Eintragspfade, jedoch nicht möglich.
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