NLWKN Niedersachsen klar Logo

15 Jahre Hochwasserrisikomanagementrichtlinie - Hochwasserschutz bleibt ein Dauerthema

Was haben wir erreicht und was wird uns im dritten Zyklus erwarten?


Von Marc Sommer, Wilfried Seemann

Das Hochwasser 2021 an der Ahr hat in erschreckender und aufrüttelnder Weise gezeigt, wie wichtig ein aktiver und bewusster Umgang mit den Hochwassergefahren ist. Genau diese Sensibilisierung vor den Risiken und Gefahren durch Hochwasser ist der initiative Beweggrund der Ratifizierung der Hochwasserrisikomanagementrichtlinie vor fast 15 Jahren am 23. Oktober 2007. Die Umsetzung übernimmt für Niedersachsen der NLWKN in Auftrag des Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz.

Die Hochwasserrisikomanagementrichtlinie steht für die Verdeutlichung der Hochwasserrisiken und für eine Verbesserung der Hochwasservorsorge und des Risikomanagements. Im Fokus steht die Minimierung der Risiken für die folgenden vier Schutzgüter:

menschliche Gesundheit - Umwelt – Kulturerbe - wirtschaftlichen Tätigkeiten.

Grundgedanke der Richtlinie ist ein aktives Risikomanagement mit dem Ziel die potentiellen negativen Hochwasserfolgen zu verringern. In den alle sechs Jahre zu erstellenden Hochwasserrisikomanagement-Plänen müssen ausdrücklich nicht nur bauliche Maßnahmen wie Deiche und Hochwasserrückhaltebecken betrachtet werden, sondern auch vorsorgende Maßnahmen wie eine angemessene Berücksichtigung dieser Belange in der Bauleitplanung, hochwasserangepasste Bauweisen oder auch Verbesserungen bei den Warndiensten und des Katastrophenschutzes. Es geht darum, die bewährten Instrumente aus den verschiedenen Rechtsbereichen in einem Plan zusammenzutragen.


*leer   Bildrechte: NLWKN
Der Kreislauf der HWRM-RL

Die EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie (EG-HWRM-RL) fordert die Abarbeitung folgender drei Hauptaufgaben (siehe Abbildung 1) in einem 6-Jahre-Zyklus, 2022 beginnt der dritte Zyklus:

In der sogenannten Bewertung des Hochwasserrisikos sind anfangs die Gebiete beziehungsweise die Gewässer zu bestimmen, bei denen davon auszugehen ist, dass ein potentiell signifikantes Hochwasserrisiko besteht oder für wahrscheinlich gehalten werden kann. Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) erstellt dazu in einem Gremium, unter der Zusammenarbeit aller Bundesländer, unterschiedliche Arbeitspapiere sogenannte „Empfehlungen“, die die Umsetzungsdetails aller einzelnen Arbeitsschritte im Detail vorgeben.

Bis zum 22.12.2011 war die allererste Risikobewertung auf Basis eines HQ100 (ein Hochwasser, welches statistisch alle 100 Jahre stattfinden kann) abzuschließen. Dabei wurden in Niedersachsen 29 Gewässer, bei denen unter anderem bereits ein Hochwasserschutzplan vorlag, die über ein großes Einzugsgebiet verfügen oder an denen signifikante vergangene Hochwasser stattgefunden haben, als Risikogewässer identifiziert.


Außerdem wurde das Küstengebiet an der Hauptdeichlinie mit den zugehörigen Deichverbänden in Niedersachsen als Risikogebiet identifiziert.

Im zweiten Zyklus wurden die Ergebnisse des ersten Zyklus bis zum 22.12.2018 überprüft und um alle Gewässer erweitert, die auf Basis eines HQextrem/HQselten (ein Hochwasser, welches statistisch ca. alle 200 Jahre oder seltener stattfinden kann) die abgestimmten Signifikanzkriterien erfüllten.

Im Ergebnis wurde die Risikokulisse auf 42 Risikogewässer erweitert (siehe Abbildung 2). Dabei wurden rund 3.580 Flusskilometer bewertet. Im Binnenland (ca. 2.720 km Risikogewässer) konnten etwa 1.840 Kilometer Risikoabschnitte identifiziert werden. Im Bereich der Küste wurden alle betrachteten Strecken als signifikante Risikoabschnitte eingestuft (860 km). Für Niedersachsen ergibt sich somit eine Gesamtlänge der Risikoabschnitte von etwa 2.700 Kilometer.

*leer   Bildrechte: NLWKN 2018
Die Risikogewässer in Niedersachsen mit den Risikoabschnitten in Rot

Die Zunahme der Risikoabschnitte im Binnenland resultierte nicht ausschließlich aus den zusätzlichen Gewässern. Auch aus den Änderungen in den LAWA-Empfehlungen resultierten weitere Risikoabschnitte. So zum Beispiel aus der bereits aufgeführten Beurteilung der Kriterien anhand des HQextrem/HQselten-Lastfall (im Gegensatz zu dem vorher verwendeten HQ100-Lastfall). Dies führte innerhalb der Risikogewässer zu weiteren Abschnitten.

Für die auf vorgenannter Grundlage bestimmten Gebiete beziehungsweise Gewässer sind Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten zu erarbeiten beziehungsweise alle sechs Jahre zu aktualisieren. Diese geben Auskunft über die hochwassergefährdeten Flächen und die dort vorhandenen Risiken. Die Besonderheit ist, dass im Zuge der Einführung der Hochwasserrisikomanagementrichtlinie zum ersten Mal neben dem HQ100, zwei weitere Lastfälle für die Risikogewässer berechnet und dargestellt werden. Mit der Berechnung eines statistisch häufiger auftretendes (in der Regel HQ20/HQ25) (ein Hochwasser welches statistisch alle 20 oder 25 Jahre stattfinden kann) und eines seltener (HQextrem/HQselten) auftretendes Überschwemmungsereignisses, soll der Blick aller Nutzer der Karten und Daten auch auf weitere Gefährdungslagen gelenkt werden.

Für das Risikogebiet der Küste wurde daher (auch aufgrund des deutlich höheren Schutzniveaus) lediglich ein Lastfall (HWextrem) dargestellt. Auch hier steht die Information einer seltenen Gefährdungslage im Vordergrund.

Die Projektgruppe Hochwasserrisikomanagementrichtlinie im NLWKN hat im ersten Zyklus bis Ende 2013 (22.12.2013) 941 Gefahren- und Risikokarten im Maßstab 1:25.000 als PDF-Dateien für die Binnengewässer und das Küstengebiet in Niedersachsen erstellt.

Im Binnenland erfolgte die Darstellung für die Risikogewässer jeweils für drei Lastfälle und in Gefahren- und Risikokarten (sprich 6 Karten pro Blattschnitt; siehe Abbildung 3). Für das Risikogebiet der Küste wurden daher lediglich zwei Karten pro Blattschnitt (Gefahren- und Risikokarten des Lastfalls HQextrem) erstellt.
*leer   Bildrechte: NLWKN
*leer   Bildrechte: NLWKN
*leer   Bildrechte: NLWKN
*leer   Bildrechte: NLWKN
*leer   Bildrechte: NLWKN
*leer   Bildrechte: NLWKN


Die drei Lastfälle der Gefahren- (oben) und Risikokarten (unten) (Quelle: Geoportal BFG Stand 2019)


Im zweiten Zyklus hat sich die Anzahl dann nochmals auf Grund der zusätzlich identifizierten Risikogewässer auf 1.200 Karten erhöht. Diese wurden zum 22.12.2019 erstellt und veröffentlicht. Parallel dazu richtete sich der Fokus der Darstellung für die Öffentlichkeit immer mehr in Richtung einer digitalen dynamischen Sicht, hin zu einer Veröffentlichung aller hinter den Karten liegenden Daten in einem Kartendienst bei der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Hier finden sich alle Daten der Bundesländer in einer Ansicht vereint, sodass auch eine einzugsgebietsweite Betrachtung der Gefahren- und Risikokarten möglich ist. In dem Dienst können selbst PDF-Karten in einem frei wählbaren Maßstab vom Nutzer erstellt werden. Diese Daten wurden für Niedersachsen ebenfalls auf den Umweltkartenserver Klick! hochgeladen, sodass diese dort als Download für Dritte oder Behörden kostenfrei nachgenutzt werden können. PDF-Karten könne hier natürlich auch erstellt werden.

Auf Grundlage der Risikobewertung sowie der Gefahren- und Risikokarten musste der NLKWN die aktuell angepassten Hochwasserrisikomanagementpläne erstellen.

In diesen sollten zunächst angemessene Ziele für das Hochwasserrisikomanagement festgelegt und Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele beschrieben werden. Dabei handelt es sich sowohl um administrative Maßnahmen und Maßnahmen zum natürlichen Rückhalt als auch um Maßnahmen und Konzepte des technischen Hochwasserschutzes.

In den Plänen der Hochwasserrisikomanagementrichtlinie werden neben der Beschreibung des Gebiets die ersten beiden Schritte beschrieben:

  • die Bewertung des Hochwasserrisikos und
  • die Beschreibung der Hochwassergefahr und des Hochwasserrisikos.

Wichtiger Bestandteil der Pläne sind die Maßnahmen zur Verringerung der hochwasserbedingten nachteiligen Folgen. Dabei werden ausdrücklich nicht nur bauliche Maßnahmen wie Deiche und Hochwasserrückhaltebecken betrachtet, sondern zum Beispiel auch vorsorgende Maßnahmen wie eine angemessene Berücksichtigung der Belange des Hochwasserrisikomanagements in der Bauleitplanung, hochwasserangepasste Bauweisen oder auch Verbesserungen bei den Warndiensten und des Katastrophenschutzes. Es geht darum, die bewährten Instrumente aus den verschiedenen Rechtsbereichen in einem Plan zusammenzutragen.

Um die Pläne länderübergreifend aufzustellen, koordinieren die Flussgebietsgemeinschaften FGG Weser, Elbe, Ems und Rhein den Prozess und erstellen nationale Hochwasserrisikomanagementrichtlinie--Pläne. Die Pläne für die einzelnen Flussgebietseinheiten sind auf der Website des NLWKN veröffentlicht.

Neben der Moderation des Aufstellungsprozesses versucht das Land durch die Veröffentlichung der Karten sowie durch Informationsveranstaltungen, ein Hochwasserbewusstsein bei allen Beteiligten im Hochwasserschutz zu schaffen und so eine rege Beteiligung aller an der Hochwasserrisikomanagementrichtlinie zu aktivieren.

*leer Bildrechte: NLWKN
Abb. 4: Infoveranstaltung zur Umsetzung der Hochwasserrisikomanagementrichtlinie in Oldenburg

Daher hat der NLWKN von Anfang an alle öffentlichen Institutionen in den Risikogebieten mit Zuständigkeiten im Hochwasserrisikomanagement darum gebeten, sich aktiv an der Aufstellung der Hochwasserrisikomanagementpläne zu beteiligen und im Rahmen einer Online-Maßnahmenerfassung Maßnahmen des eigenen sachlichen und räumlichen Zuständigkeitsbereichs zu melden. Im Ergebnis wurden hier circa 1.500 Maßnahmen im letzten Zyklus gemeldet und aktualisiert. Neben der Erfassung von Maßnahmen für den Hochwasserrisikomanagementplan waren die Kenntnisnahme und Auseinandersetzung mit den Gefahren- und Risikokarten ein Ziel der aktiven Beteiligung. Dadurch konnten die Akteure Risiken und Handlungsbedarfe erkennen. Um den Beteiligten eine transparente Rückmeldung über ihre Beteiligung zu geben und diesen ein öffentlichkeitswirksamen Instrument zur Verfügung zu stellen, hat der NLWKN Berichte mit dem Titel „Hochwasserrisiken managen“ erstellt. In diesen Berichten werden die Maßnahmen einzeln aufgeführt und ausgewertet.

Eine weitere Öffentlichkeitsbeteiligung fand über die Auslegung der Hochwasserrisikomanagementpläne in den ersten zwei Quartalen 2021 in Form einer Strategische Umweltprüfung statt. Anschließend wurden Anmerkungen geprüft und gegebenenfalls berücksichtigt. Die Ergebnisse wurden abschließend zum 22.12.2021 veröffentlicht.


Ausblick dritter Zyklus

Im nun begonnenen dritten Zyklus, der von Januar 2022 bis Dezember 2027 dauert, wird aktuell die Bewertung des Hochwasserrisikos bis Ende 2024 überprüft. Dazu werden zum Beispiel Änderungen an den Überschwemmungsflächen in die Daten eingearbeitet oder die Risikogewässer Bundesland-übergreifend abgestimmt. Auch müssen hierfür alle Grundlagendaten aktualisiert und aufbereitet werden. Entsprechend der LAWA-Empfehlungen sollen zukünftig in der Bewertung des Hochwassers unter anderem bundesweit einheitliche Schadenserwartungen berücksichtig werden.

In den die Karten müssen die aktuellen Erkenntnisse eingarbeitet werden. So wurde zum Beispiel an der Elbe, in Abstimmung mit den Nachbarbundesländern, eine Verschiebung der Tidegrenze beschlossen. Dadurch ändert sich das Risikogebiet der Küste entsprechend. Ebenfalls werden aufgrund der Aktualisierungen alle Daten, die Hochwasserrisikomanagementpläne, das Reporting und alle weiteren Produkte aktualisiert werden müssen.

Aufgrund der technischen Entwicklung werden zukünftig alle Kartenprodukte lediglich als interaktiver Onlinedienst veröffentlicht. Die zahlreichen vorgefertigten PDF-Karten werden im aktuellen Zyklus nicht mehr erstellt. Diese kann jeder Nutzer nach einem frei gewählten Maßstab, wie auch jetzt schon, auf dem BFG- oder Umweltkartenserver selbst erstellen. Die nächste Aktualisierung der Gefahren- und Risikokarten erfolgt bis zum 22.12.2025.

Es bleibt daher spannend, wie viele Beteiligte sich für die Informationsveranstaltungen melden und sich aktiv an der Online-Maßnahmenmeldung beteiligen werden. Das Ergebnis daraus wird dann wieder in den Hochwasserrisikomanagementpläne zum 22.12.2027 veröffentlicht.

Fazit: Die größten Vorteile der Hochwasserrisikomanagementrichtlinie sind die Verdeutlichung der Gefahren und Risiken in Karten. Durch die Umsetzung wird die erwartete Ist-Situation bei Hochwasserlagen soweit es geht dargestellt. Zudem werden für weitergehende vertiefende Planungen Daten und Modelle bereitgestellt. Der eigentliche Erfolg der Richtlinie entsteht erst dann, wenn die zuständigen Stellen (auf allen Verwaltungsebenen sowie auch jeder einzelne) diese Daten für die Vorsorge und somit zur Verringerung der erwarteten Schäden und Folgen nutzen. Diese Aktivitäten sind schon an vielen Stellen zu registrieren und müssen in den nächsten Umsetzungszyklen noch deutlich weiter vertieft werden. Hochwasserschutz bleibt ein Dauerthema.


Weitergehende Informationen unter:

https://www.hwrm-rl.niedersachsen.de

Artikel-Informationen

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln