Schon gewusst? Die „verschwundenen“ Bauteile der Schleuse
Bei Wasserbauwerken ist es üblich, dass die meisten Bauteile später gar nicht mehr zu sehen sind: Sie liegen oftmals entweder im Baugrund oder unter Wasser vor Blicken verborgen. Hier deshalb noch einmal ein bildlicher Überblick über alle wesentlichen Bauteile der neuen Schleu-se. Von der Baugrube bleiben bis auf die Spundwände im Ein- und Ausfahrtsbereich der Schleuse (Baugrubenstirnseiten) und die Aussteifungen der Baugrube alle Bauteile dauerhaft erhalten.
Deutlich mehr als eine Schleuse
Der Neubau der Hadelner Kanalschleuse in Otterndorf überzeugt als Multifunktionsbau mit Mehrwert für die Region // Inbetriebnahme Mitte 2022
von Andreas Kosch
Der im Sommer 2018 mit einem Abriss begonnene Neubau der Hadelner Kanalschleuse in Otterndorf bedeutet viel mehr als nur den Ersatz für eine teils fast 170 Jahre alte Schleusenanlage. Der Küstenschutz, die Entwässerung des Binnenlandes und der Schleusenbetrieb werden durch das vom NLWKN geplante derzeit größte Küstenschutzprojekt des Landes Niedersachsen deutlich verbessert. Im Juli 2022 soll die neue Anlage im Hadelner Land in Betrieb genommen werden.
Die neue Hadelner Kanalschleuse ist mit ihren drei Hauptfunktionen dabei ein waschechtes Multifunktionsbauwerk: Neben der Sicherstellung des Küstenschutzes durch die beiden im Sturmflutfall geschlossenen großen Hubtore des Außen- und Mittelhauptes dient sie als Sielbauwerk zur Entwässerung des tiefliegenden Binnenlandes. Darüber hinaus können Boote bzw. Wasserfahrzeuge bis zu einer Länge von 33,50 m zwischen Hadelner Kanal und Elbe geschleust werden.
Durch die rund 30 Millionen Euro teure Küstenschutzmaßnahme werden alle drei Hauptfunktionen der Schleuse deutlich verbessert: So wird der Küstenschutz für die Region optimiert, indem insbesondere die Fehlhöhen des Vorgängerbaus und das sogenannte Unterbestick der Anschlussdeiche (vgl. Infobox rechts) von knapp 90 cm in der Hauptdeichlinie der Elbe beseitigt wurden. Das massive Wasserbauwerk wurde beim Neubau zudem auf die neuen Bemessungswasserstände dimensioniert.
Neben dem deutlich größeren Abflussquerschnitt der Kanalschleuse, die zugleich Sielbauwerk ist (Breite 8,50 m statt bisher 6,12 m und Drempeltiefe NHN -3,50 m statt bisher NHN -3,0 m), wird durch den Bau des neuen Schöpfwerks mit einer Förderleistung bis maximal 12 m³/s (3 Pumpen je 4 m³/s) selbst bei hohen Sturmflutwasserständen in der Elbe und fehlendem Sielzug der Schleuse die Entwässerungssituation ebenfalls deutlich verbessert. Es dient in Zukunft als Notschöpfwerk zur Kappung von Hochwasserspitzen und kommt nur wenige Tage im Jahr zum Einsatz.
Profitieren soll vom Neubau nicht zuletzt der Schiffsverkehr auf dem Schifffahrtsweg Elbe-Weser: Konnte durch das Mauerwerksgewölbe im Deich beim Vorgängerbau nur rund vier Stunden um die Niedrigwasserzeit herum geschleust und gesielt werden, ist dies künftig tideunabhängig während der Betriebszeiten möglich. Hintergrund ist die offene Bauweise der neuen Schleuse mit Durchfahrtshöhen von 3,30 m und schleusbaren Wasserständen von bis zu NHN + 2,0 m in der Schleusenkammer. Das Warten auf Niedrigwasser entfällt damit.
Wirtschaftlicher Betrieb durch moderne, bedarfsorientierte Bauweise
Die Ausführung des Baus mit einer deutlich kleineren, 24 Meter langen Schleusenkammer zwischen Binnen- und Mittelhaupt ermöglicht zudem künftig auch einen wirtschaftlicheren Normalbetrieb der Anlage: Erst bei erhöhtem Schiffsaufkommen oder längeren Schiffen bis max. 33,50 m (Bemessungsschiff Kanal) muss im Ausnahmefall auch zwischen Binnen- und Außenhaupt im Sonderbetrieb geschleust werden.
Erleichterter Betrieb
Neben einer verbesserten Funktionalität ergeben sich aber auch für den Betrieb der Anlage durch den NLWKN zahlreiche Vorteile durch den Neubau: Befanden sich bei der alten Schleuse Steuerstand, Technikraum und Werkstatt in unterschiedlichen Gebäuden und konnte jedes Tor nur am Tor selbst bedient werden, ist bei der neuen Schleuse alles in einem modernen Betriebsgebäude zusammengefasst. Das Herzstück ist der Leitstand, von dem die neue Schleuse gesteuert wird. Die Schleusenkammer ist vom Leitstand im ersten Obergeschoss dabei sehr gut einsehbar. Moderne Kameratechnik ermöglicht ergänzend einen optimalen Überblick über die Anlage. Und auch die für einen langjährigen komplikationsarmen Betrieb notwendige regelmäßige Revision der Anlagentechnik wird künftig deutlich einfacher: Die alte Schleusenkammer konnte nicht trockengelegt werden, da die Sohle aus einer losen Steinschüttung bestand und nicht auftriebssicher war. Die neue Schleuse besteht aus einem Stahlbetontrog, dessen 1,50 dicke Sohle mit rund 170 Verpressmörtelpfählen tiefgegründet und auftriebssicher ist. Die stählernen Dammbalken zum Absperren der Schleuse werden in einem Dammbalkenlager östlich neben der Schleuse gelagert.
Bau in sieben Phasen
Die knapp vierjährige Bauzeit der Küstenschutzmaßnahme wurde in insgesamt sieben Bauphasen unterteilt. Eine als Sturmflutschutz eingebaute Stahlspundwand ermöglichte es dabei, dass auch in den Winterhalbjahren auf der Baustelle gearbeitet werden konnte. Küstenschutzrelevante Bauleistungen mussten dagegen ausschließlich in den drei Sommerbauphasen ausgeführt werden, um den Küstenschutz auch während der Bauzeit zu gewährleisten.
Alle wesentlichen Bauleistungen des Stahlbetonbaus, des Erd- und Deichbaus, die werkseitige Fertigung der Stahlwasserbauteile – drei Hubtore und die künftig weithin sichtbaren blauen Portalrahmen des Außen-, Mittel- und Binnenhauptes – sowie die Werkstattplanungen des Stahlwasserbaus und der EMSR-Technik konnten in den zurückliegenden sechs Bauphasen planmäßig fertiggestellt werden.
In der aktuellen siebten und letzten Bauphase, die im September 2021 begann, steht die Montage der drei stählernen Hubtore und der blauen Portalrahmen und ihre Anbindung an die Steuerungstechnik im Fokus: Nachdem die insgesamt zwölf Portalstiele – vier je Haupt im Oktober 2021, die drei Hubtore Anfang Januar 2022 und die drei Portalquerriegel inkl. Antriebstechnik Anfang März 2022 – nach Otterndorf geliefert wurden, konnten die Endmontagen auf der Baustelle und der Anschluss an die bereits eingebaute Steuerungstechnik erfolgen.
Bevor der eigentliche Schleusenbetrieb beginnen kann, müssen nun zahlreiche Funktionsprüfungen der Schleusenanlage durchgeführt werden – zunächst im trockenen, seit Ende Mai auch im gefluteten Zustand. Anschließend erfolgt der Probebetrieb. Erst wenn die Funktionsprüfungen und der Probebetrieb planmäßig und fehlerfrei verlaufen sind, kann die Inbetriebnahme der neuen Schleuse erfolgen. Diese ist für Anfang Juli vorgesehen. Bis September 2022 werden dann noch sogenannte Restarbeiten auf der Baustelle stattfinden: Im Wesentlichen Oberflächenbefestigungen wie Pflaster- und Asphaltarbeiten.
Unter www.nlwkn.de/hadelner-kanalschleuse (vgl. Link unten) wird seit dem 1. Spatenstich im April 2019 bis heute fortlaufend über den aktuellen Fortschritt auf der Baustelle informiert.
Hier finden Sie auch
- einen Begleitflyer und
- mehrere Ergänzungsflyer sowie
- mehrere Vortragsfolien zum Schleusenneubau.
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