Höher und breiter: Das bedeutet der Klimawandel für den Küstenschutz an der Tideelbe
Im Rahmenentwurf für die Tideelbe wird die Nacherhöhung der niedersächsischen Hauptdeiche an der Elbe geplant
von Karina Bettin und Vanessa Weede
Die rund 26 Kilometer langen Hauptdeiche an der Tideelbe oberhalb von Hamburg werden zukünftig größeren Belastungen ausgesetzt sein als bisher. Hauptgrund dafür ist der Klimawandel, der sich mit höheren Tidewasserständen auch in dieser Region Niedersachsens bemerkbar machen wird. Um den Veränderungen begegnen zu können, bedarf es einer vorausschauenden Planung und einer guten Umsetzung kommender Deichverstärkungen. Die Basis dafür ist der vom NLWKN erarbeitete Rahmenentwurf. Doch eine Frage bleibt: Wird der Platz noch reichen?
Der Rahmenentwurf beschreibt die zukünftig notwendigen Küstenschutzmaßnahmen an den Hauptdeichen im Tidegebiet der Elbe von der Landesgrenze zu Hamburg bis zur Staustufe Rönne/ Geesthacht inklusive der Sperr-, Siel- und Schöpfwerke unter Berücksichtigung aller entscheidenden Berechnungen und Randbedingungen. Und um es kurz zu fassen: Es gibt in den nächsten Jahrzehnten viel zu tun.
Die Frage nach der Höhe
Sowohl für die Bemessung eines Deiches als auch für die eines Sperrwerkes ist der sogenannte Bemessungswasserstand maßgebend. Dieser wurde für die zukünftigen Hauptdeiche an der Tideelbe von der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) im Jahr 2021 mithilfe einer hydronumerischen Modellierung berechnet und zur weiteren Verwendung bereitgestellt. Bei dieser Berechnung wurde das gesamte Elbegebiet von Cuxhaven bis zum Wehr Rönne/Geesthacht betrachtet, um ein gleichwertiges Schutzniveau zu gewährleisten. Auf diese Vorgehensweise haben sich die drei Anliegerländer Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen geeinigt.
Für Vorsorgezwecke im Küstenschutz berücksichtigt Niedersachsen in seiner Küstenschutzstrategie wie die anderen Küstenländer für die Ermittlung des Bemessungswasserstandes ein Vorsorgemaß von einem Meter für Änderungen, die sich infolge des Klimawandels ergeben können. Dieses Vorsorgemaß wurde auch für die Ermittlung des Bemessungswasserstandes in der Tideelbe oberhalb von Hamburg berücksichtigt. Als Ergebnis der Modellierung zeigt sich, dass die niedersächsischen Hauptdeiche an der Tideelbe oberhalb Hamburgs stellenweise um bis zu 1,5 Meter erhöht werden müssen, um den in 100 Jahren zu erwartenden Wasserstand widerstehen zu können. Das bedeutet eine Sollhöhe der ausgebauten Deiche von minimal ca. NHN +9,3 m bis maximal ca. NHN +10 m. Gleiches gilt auch für die Bemessung der Sperr-, Siel und Schöpfwerke.
Die Höhe ist nur die halbe Sache
Die Erhöhung eines Deiches ist jedoch nicht nur eine Frage der Höhe – sie wird sich auch in der Breite bemerkbar machen. Da sich für die Elbedeiche oberhalb von Hamburg eine Böschungsneigung von 1:3 bewährt hat, bedeutet eine Nacherhöhung um 1,5 Meter eine 9,0 Meter breitere Aufstellfläche des Deiches. Hinzu kommt, dass die Niedersächsische Küstenschutzstrategie als zweite Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel für den Niedersächsischen Klimadeich eine weitere Nacherhöhbarkeit um einen zusätzlichen Meter vorsieht. Folglich sind in Summe im Vergleich zu den vorhandenen Deichen zukünftig bis zu 15 Meter breitere Deiche zu planen.
Der Platz an der Elbe ist begehrt
Der Niedersächsische Klimadeich wird also Platz brauchen. Dieser ist jedoch in vielen Bereichen der Deichlinie nur begrenzt verfügbar, sowohl binnen als auch außen. Bevorzugt wird in der Regel eine Deichnacherhöhung nach binnen, doch auf nahezu gesamter Strecke von der Landesgrenze Hamburg/Niedersachsen bis zum Ilmenau-Sperrwerk befindet sich dichte Bebauung unweit des landseitigen Deichfußes. Elbaufwärts des Ilmenau-Sperrwerks bis zum Wehr Geesthacht löst sich die Besiedelungsdichte streckenweise auf. In vielen dieser Bereiche wie auch nach außendeichs sind zudem Schutzgebiete für Tiere und Pflanzen ausgewiesen, deren gesetzliche Bestimmungen die Anpassung der Deiche erschweren. Die Frage ist also: Woher soll der Platz für die notwendige Deichnacherhöhung genommen werden? Es wird der Mitarbeit aller Beteiligten bedürfen, wenn der Küstenschutz an der Tideelbe hier in Niedersachsen den Herausforderungen durch den Klimawandel standhalten soll.
In einigen Bereichen, in denen der Platz bei der letzten Deichnacherhöhung schon knapp war, gibt es bereits Hochwasserschutzwände. Doch diese sind laut Niedersächsischer Küstenschutzstrategie nach dem Deichbau in Erdbauweise nur die zweite Wahl. Denn Deiche bieten im Gegensatz zu Hochwasserschutzwänden eine leichte Anpassbarkeit an steigende Wasserstände, sind ressourcenschonend und begünstigen eine einfache und wirtschaftliche Unterhaltung und Pflege.
Der Rahmenentwurf als Weisungsrichtung
Es wird deutlich, dass viele Vorüberlegungen durchzuführen und nicht weniger Randbedingungen zu beachten sind, wenn Deiche erhöht und Sperr-, Siel- und Schöpfwerke angepasst werden müssen. Bei der Aufstellung des Rahmenentwurfs werden diese und viele weitere Aspekte berücksichtigt. Im Ergebnis soll er ein klares Bild liefern von der aktuellen Lage sowohl bei den niedersächsischen Hauptdeichen an der Elbe als auch bei den in dieser Deichlinie liegenden Sperr-, Siel- und Schöpfwerken. Zum anderen wird eine umfassende Planungs- und Finanzierungsgrundlage für die zukünftigen Anpassungen an den Küstenschutz geschaffen. Die Fertigstellung des Rahmenentwurfs erfolgt bis Ende 2022.