Umgang mit Hochwasservorhersagen, -warnungen und -informationen – und das in Zeiten des Klimawandels
Gewässerforum in Hannover rückte die Vorsorge für Extremereignisse in den Fokus
Zu viel auf einmal oder zu lange zu wenig – angesichts von Extremereignissen wie dem Hochwasser 2017 im südlichen Niedersachsen und mehreren Trockensommern in Folge sind sich Expertinnen und Experten einig: Der Klimawandel ist mit seinen Folgen schon längst in Niedersachsen angekommen. Umso mehr brauche es zukunftsfähige Anpassungsmaßnahmen – unter anderem eine vorausschauende Hochwasserwasservorhersage, betonte Niedersachsens Umwelt- und Klimaschutzminister Christian Meyer auf dem Niedersächsischen Gewässerforum im April 2023. Die Fachveranstaltung des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) brachte in Hannover rund 170 Expertinnen und Experten des Bundes, der Länder, der Kreise und Kommunen zusammen, die sich zum Thema Hochwasser austauschten.
Das niedersächsische Gewässerforum 2023 wurde nach einleitenden Worten der NLWKN-Direktorin Anne Rickmeyer durch Umwelt- und Klimaschutzminister Christian Meyer eröffnet: „Starkregenereignisse, Meeresspiegelanstieg, Trockenheit: Durch den Klimawandel müssen wir auch in Zukunft mit noch mehr Extremen in der Wasserwirtschaft rechnen. Die Folgen des Klimawandels stellen uns alle vor große Herausforderungen, das Land genauso wie die Städte und Gemeinden. Insbesondere der Hochwasserschutz und die Starkregenvorsorge, in den Küstenregionen der Küstenschutz und die Binnenentwässerung, aber auch ein nachhaltiger Umgang mit der Ressource Wasser sind wichtige Zukunftsaufgaben, denen wir uns in Niedersachsen stellen müssen und werden“, so Minister Meyer. „Und klar ist auch: Je besser wir beim Klimaschutz sind, desto eher können wir die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels mindern. Denn wir müssen uns an die Folgen des menschengemachten Klimawandels anpassen und dafür sehr viel Geld in die Hand nehmen. Klimaschutz ist daher auch Katastrophenschutz.“
In diesem Zusammenhang stand bei der Veranstaltung, die in der Akademie des Sports in Hannover stattfand, in diesem Jahr vor allem der Fall des „zu viel“ Wassers im Fokus: Hochwasserereignisse – ihr Auftreten und der Umgang mit diesen.
Nach einem einleitenden Impulsvortrag von Prof. Kai Schröter über Prozesse und Faktoren, die die Folgen von Hochwasser beeinflussen und der Darlegung, vor welchen Herausforderungen uns der Wandel im Hochwasserrisikomanagement stellt bzw. welche neuen Methoden hier eingesetzt werden können und welche Analysen weitergeführt werden müssen, folgten eine Reihe verschiedener Vorträge, die die ganze Kette eines Hochwasserereignisses beleuchteten: von der Erfassung, über die Vorhersage, dem Informieren, dem Melden bis zum Warnen und Handeln vor Ort.
So erläuterte zunächst Marlena Heunecke, Leiterin der Hochwasservorhersagezentrale Niedersachsen (HWVZ), wie die Hochwasservorhersage seitens des Landes Niedersachsen aufgestellt ist:
Beim Landesbetrieb wurde bereits 2009 mit der Einrichtung der HWVZ ein wichtiger Schritt hin zu einer verbesserten Informationslage etwa für Einsatzkräfte und Entscheider vor Ort unternommen. Die Zentrale in Hildesheim befindet sich mittlerweile seit über zehn Jahren im operativen Betrieb. „Niedersachsen hat in dieser Zeit viel in die Entwicklung der Hochwasservorhersage investiert und ist heute mit der HWVZ gut aufgestellt. Die für die Vorhersagen verwendeten komplexen Rechenmodelle und Datengrundlagen – vor allem Pegelstände, Abflüsse, Niederschlag, Temperatur, Wetterprognosen und Radardaten – werden kontinuierlich optimiert und weiterentwickelt sowie an aktuelle Gegebenheiten angepasst, um auch weiterhin verlässliche Vorhersagen bereitstellen zu können“, betonte Heunecke in ihrem Vortrag.
Hochwasservorhersage um zusätzliche Gebiete erweitert
Ein weiterer Schritt im Rahmen der kontinuierlichen Erweiterung des Angebots der HWVZ konnte noch auf dem Gewässerforum verkündet werden: Mit der Bundeswasserstraße der Ober- und Mittelweser wird in Kürze ein zusätzlicher großer Flusslauf mit in die operationelle Vorhersage der Hochwasservorhersagezentrale aufgenommen. Mit dem Gewässerforum startet hier der Testbetrieb der Hochwasservorhersage, nachdem bereits im vergangenen Jahr entsprechende Vereinbarungen zwischen den beteiligten Bundesländern Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen sowie dem Bund getroffen werden konnten, heißt es beim NLWKN. „Im Rahmen der Hochwasservorsorge kann damit auch in diesen Regionen durch die Hochwasservorhersage vom Land ein wesentlicher Beitrag zum regionalen Hochwasserrisikomanagement geleistet werden“, kommentierte den Schritt Direktorin Rickmeyer.
Ergänzend zur Aufnahme neuer Vorhersagegebiete wurden in den letzten Jahren vor allem die Möglichkeiten zur Information und Warnung deutlich verbessert. Neben dem Ausbau des Informationsangebots im Internet über das Landeshochwasserportal (www.hochwasserzentralen.de) und das Pegelportal des NLWKN (www.pegelonline.nlwkn.niedersachsen.de) werden die Informationen der Hochwasservorhersage und Warnungen dabei inzwischen auch über verschiedene Warn-Apps wie NINA und KatWarn, aber auch die Hochwasser-App Meine Pegel ausgespielt. Betroffene können sich hier teils individuell einstellbare Warnungen zum Beispiel für bestimmte Pegel und Grenzwerte als Push-Nachricht direkt auf das eigene Smartphone senden lassen. „Die zentrale Bedeutung einer rechtzeitigen Warnung vor Gefahr haben die jüngsten katastrophalen Hochwasserereignisse belegt“, unterstrich Markus Anhalt, Geschäftsbereichsleiter beim NLWKN der Betriebsstelle Hannover-Hildesheim.
Doch nicht nur die rechtzeitige Warnung vor der Gefahr, sondern auch welche Vorhersageunsicherheiten insbesondere im Extrembereich noch große Herausforderungen darstellen, mit denen wir umgehen müssen, wurde auf dem diesjährigen Gewässerforum im Erfahrungsbericht von Dr. Magret Johst zum Hochwasser in RLP im Juli 2021 thematisiert.
Durch die Einblicke in die Hochwasserkatastrophe 2021 in RLP, aber auch dank des Vortrages von Janine Oelze über die Darlegung der Vorhersage an der Bundeswasserstraße Elbe und wie Sachsen-Anhalt im Bereich der Hochwassermeldung und –vorhersage aufgestellt ist, war es den rund 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer möglich, einen Blick über den niedersächsischen Tellerrand hinaus zu werfen.
Doch mit dem Austausch über die, teilweise länderübergreifenden, Hochwasservorhersagemöglichkeiten und Erfahrungen allein ist es nicht getan. „Damit Hochwasser, die in Höhe und Intensität künftig zunehmen werden, nicht zu derart verheerenden Konsequenzen führen, wie wir sie zuletzt aus dem Ahrtal kennen, müssen wir alle Handlungsoptionen bei der Hochwasservorsorge ausschöpfen. Wir müssen zudem prüfen, wie wir die Folgen des Klimawandels geeignet in der Hochwasservorsorge berücksichtigen und geeignete Handlungsoptionen ableiten“, so Direktorin Rickmeyer. „Andere wichtige Bausteine sind eine verlässliche Hochwasservorhersage, eine rechtzeitige Information und eingeleitete Warnung sowie die Berücksichtigung der Informationen in Alarm- und Einsatzplänen und bei der Gefahrenabwehr vor Ort“, ergänzte Anhalt.