- Publikation: Verbreitungsatlas der Tagfalter und Widderchen im Kreis Höxter und Umgebung
- Publikation: Die Schmetterlingsgemeinschaften der Halbtrockenrasen-Komplexe des Diemeltales
- Einheitlicher Methodenleitfaden Insektenmonitoring des BfN
- Verbreitung der Mageren Flachland-Mähwiesen in Deutschland (BfN)
- Lebensraumtypen Magerrasen (BfN)
- Lebensraumtyp "Flachland-Mähwiesen" (NLWKN)
- Lebensraumtyp "Kalk-(Halb-)Trockenrasen und ihre Verbuschungsstadien" (NLWKN)
- Aktionsprogramm Insektenvielfalt Niedersachsen
Inventur bei Tagfalter, Heuschrecke und Co.
Insektensterben: Untersuchung auf Landesflächen nimmt Handlungsoptionen bei der Flächenpflege in den Blick
Von Heike Wellmann
Der dramatische Rückgang der Insekten ist ein beunruhigender weltweiter Trend – doch lässt er sich durch angepasste Bewirtschaftungsweisen positiv beeinflussen? Eine im vergangenen Jahr gestartete „Inventur“ ausgewählter Arten wie Heuschrecken, Tagfalter und Widderchen auf landeseigenen Naturschutzflächen geht dieser Frage noch bis 2024 auf den Grund.
Im Fokus der durch den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) beauftragten Forscher und Forscherinnen steht die Schaffung optimaler Entwicklungsbedingungen für die Insektenarten durch entsprechende Pflege- und Bewirtschaftungsmaßnahmen.
Insekten spielen eine wichtige Rolle bei der Bestäubung von Pflanzen, der Aufrechterhaltung der Bodenfruchtbarkeit, der Kontrolle von Schädlingen und der Erhaltung der Biodiversität. Wenn die Insektenpopulationen dramatisch sinken, wird sich dies auf die landwirtschaftliche Produktion, die Nahrungsketten sowie unser gesamtes Ökosystem auswirken.
Der offensichtliche Rückgang der Insekten ist ein beunruhigender Trend. Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass sowohl die Anzahl als auch die Vielfalt der Insektenpopulationen in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen ist. Aber sind diese Studienergebnisse zu verallgemeinern? Treffen die Aussagen auch auf Landesnaturschutzflächen (LNF) in Niedersachsen zu?
Die LNF, die sich meist in Schutzgebieten mit dem strengsten Schutzstatus befinden, wurden bereits über Jahre hinweg extensiv bewirtschaftet und es wurden immer wieder zusätzliche Instandsetzungsmaßnahmen vorgenommen. Somit müssten doch eigentlich optimale Bedingungen für die Insektenbestände vorliegen.
Vor dem Hintergrund des Aktionsprogramms Insektenvielfalt Niedersachsen stellte das Niedersächsische Umweltministerium im Jahr 2020 finanzielle Mittel zur Stärkung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 bereit, um unter anderem die besondere Bedeutung der Gebiete für die Insektenvielfalt und zur Stärkung des Biotopverbundes zu fördern. Das war für den NLWKN der richtige Zeitpunkt für die Finanzierung eines Projektes zur Erstellung von Pflegekonzepten zu werben.
In mehreren Untersuchungsgebieten mit einer hohen Nutzungsdiversität sollten auf den NLF die Pflegemaßnahmen und Pachtvorgaben untersucht und deren Wirkung auf die Insektenpopulationen verglichen werden.
- Welche der vielen Insektengruppen können als Indikatoren zur Beurteilung des aktuellen Zustandes der Flächen genommen werden?
- Was soll als Maß für die Stabilisierung und Entwicklung der Insektenpopulationen dienen?
- Können mit artspezifisch abgeleiteten Handlungskonzepten stabile Population für bestimmte Insektengruppen erreicht werden?
Der Versuch, zum Projektstart im Jahr 2020 auf diese Fragen Antworten zu finden, ließ bald erkennen, dass auf Grundlage der vorhandenen Daten keine evidenten Aussagen getroffen werden konnten. Was unter anderem auch darin begründet war, dass die in der Vergangenheit durchgeführten Kartierungen vor allem die besonders gefährdeten oder die für Natura 2000-Gebiete wertgebenden Arten im Fokus hatten.
Also bedurfte es zunächst einer Arteninventur. Die Erhebungen sollten in Anlehnung an den Leitfaden des Bundesamtes für Naturschutz zum bundesweiten Insektenmonitoring erfolgen, um die Vergleichbarkeit der Daten sicherzustellen. Die Auswahl der Insektengruppen fiel auf die Tagfalter und Widderchen sowie auf die Heuschrecken. Die Tagfalter und Widderchen, wegen einer Vielzahl von Arten, die besonders sensibel auf Veränderungen in der Umwelt reagieren (stenök) und auf Heuschrecken, weil sie in Offenlandökosystemen eng mit der Biodiversität anderer Artengruppen sowie Umweltveränderungen korrelieren. Es war vor allem wichtig, möglichst schnell zu einer maximalen Aussagetiefe zu gelangen, um zeitnah die Erkenntnisse aus den Erhebungen im Flächenmanagement umsetzen zu können.
Die geeignete Naturraumausstattung und eine entsprechend diverse kulturelle Entwicklung bzw. Bewirtschaftungsgeschichte wurde in den Landkreisen Holzminden und Hildesheim gefunden. Nicht minder relevant für die Entscheidung waren die dort zahlreich vorhandenen LNF. Die europaweit gefährdeten und wertvollen Lebensraumtypen – Magere Flachlandmähwiesen und Magerrasen – bieten hier ein hohes Potenzial an strukturellen Optimierungsmöglichkeiten, auch im Hinblick auf den Biotopverbund.
Der Insektencheck: Im Bericht der Untersuchung für 2022 der AG Tierökologie Dörfer-Liebelt-Lohr wurden 74 Transekte mit insgesamt 158 Transektabschnitten vorgestellt, auf denen 20.651 Individuen von 49 Tagfalter- und Widderchenarten, 13 sonstige tagaktive Nachtfalterarten und 18 Heuschreckenarten erfasst wurden. Was aber sagen diese Zahlen, wie können sie ausgewertet werden?
Auf der Grundlage der erfassten Daten wurden Indikatorarten für eine insektenfördernde Nutzung des Grünlandes identifiziert. Die Informationen zur Artenzusammensetzung stammen größtenteils aus dem Arteninventar der Untersuchungen von FARTMANN (2004), LOBENSTEIN (2014), BEINLICH et al. (2020) sowie den eigenen fachlichen Erfahrungen der Kartiererinnen und Kartierer. Außerdem wurden für die Teilgebiete Zielarten mit einer festgestellten bundes- oder landesweite Gefährdung (Rote-Liste-Status) definiert.
Bei den parzellenspezifischen Handlungsempfehlungen wurden sowohl die standörtlichen Parameter als auch die Phänologie der erfassten Art (Ei, Larve, adultes Tier) sowie deren Ausbreitungsfähigkeit in die Betrachtung einbezogen. Außerdem wurde die auf den Flächen erfasste Vegetationsstruktur ausgewertet. Die An- oder Abwesenheit von Arten zeigt dabei, ob die flächenspezifische Pflege optimiert werden muss bzw. soll.
Durch die Erhebung in 2023 und die Fortführung in 2024 werden zukünftig Aussagen zu regionalen Entwicklungstendenzen der Insekten möglich sein. Insekten haben unterschiedliche Anforderungen an ihre Lebensräume. Auch der Klimawandel kann dazu führen, dass sich einige Lebensräume für bestimmte Arten ungünstig entwickeln oder ganz verschwinden. Infolgedessen können Insekten gezwungen sein, sich anzupassen, indem sie neue Nahrungsquellen suchen oder in andere Gebiete abwandern.
Wenn regionale Rückgangsereignisse zu erwarten sind, möglicherweise sogar für mehrere Arten gleichzeitig, können lokalspezifische Ursachen sowie die tatsächliche Wirksamkeit von Maßnahmen in Landwirtschaft und Naturschutz identifiziert werden.
Um Verschiebungen im Artenspektrum hin zu stabilen Population zu erreichen, ist eine gute und zielführende Zusammenarbeit mit den Landwirten und Landwirtinnen vor Ort und den Pächtern und Pächterinnen auf den landeseigenen Flächen notwendig.
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