Männerdomäne im Wandel
Umbruch in der lange von Männern geprägten Wasserwirtschaft: 41 Prozent der Beschäftigten des NLWKN sind heute weiblich // ein Interview über Chancen und Herausforderungen mit NLWKN-Direktorin Anne Rickmeyer
Vom Deichbau bis zur Schadstoffunfallbekämpfung, vom Wasserbauer bis zum Ingenieur: Die Aufgaben und Berufe in der niedersächsischen Wasserwirtschaft waren noch vor 30 Jahren überwiegend eine Männerdomäne. Dass sich seither viel getan hat, weiß niemand besser als Anne Rickmeyer. Im Interview gibt die erste Direktorin des NLWKN einen Einblick in eine Behörde, in der alte Rollenbilder Schritt für Schritt überwunden werden. Das ist auch notwendig: Denn Fachkräfte werden dringend gesucht.
Frau Rickmeyer, Sie stehen seit Sommer 2016 an der Spitze eines Landesbetriebs, für den rund 1.500 Menschen in ganz Niedersachsen arbeiten. Fühlen Sie sich in dieser Rolle trotzdem noch ab und zu als Einzelkämpferin – zum Beispiel in männerdominierten Leitungsrunden und Besprechungen?
Anne Rickmeyer: Innerhalb des NLWKN ganz und gar nicht – und das hat einen ganz praktischen Grund: Ich bin hier als Frau nur noch selten allein. Mehrere Betriebsstellen des NLWKN werden inzwischen von Frauen geleitet. Im direkt der Direktorin unterstellten Stab sind gleich alle drei Leitungsfunktionen mit Frauen besetzt. Und auch in der Direktion des NLWKN werden gegenwärtig mehrere Geschäftsbereiche von Frauen geführt – bei von klassischen Männerberufen dominierten Aufgabenfeldern durchaus keine Selbstverständlichkeit. Anders sieht es allerdings aus, wenn ich mich beispielsweise mit meinen Behördenleiterkollegen in Niedersachsen treffe. Da bin ich oftmals die einzige Frau.
Das klingt noch nicht ganz nach Parität…
…ist aber dennoch bemerkenswert, wenn man berücksichtigt, wo wir herkommen: Gerade die Wasserwirtschaft war ja noch in den 80ern ein traditionell ausgesprochen männlich dominierter Arbeitsbereich. Der NLWKN ist dabei als Landesbetrieb noch recht jung – 1998 nahm er als NLWK seine Arbeit auf. Und dennoch hat er aufgrund seiner unterschiedlichen Vorgängerbehörden eine lange Geschichte, die oftmals auch durch klassische patriarchalische Organisationsstrukturen und Hierarchien geprägt war. Frauen spielten hier lange – wenn überhaupt – dann eher als klassische Schreibkraft eine Rolle. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich aber glücklicherweise nicht nur gesamtgesellschaftlich, sondern auch gerade in den Einrichtungen des öffentlichen Dienstes viel bewegt, sind gedankliche Hürden gefallen und neue Wege beschritten worden, wenn es um die Gleichstellung von Mann und Frau geht.
Lässt sich die heutige Rolle der Frau im NLWKN noch an weiteren Zahlen festmachen?
Von den insgesamt 1.515 Mitarbeitenden (Stand Januar 2024), die sich tagtäglich für eine intakte Natur, sichere Küsten und Flussufer sowie einen guten Zustand unserer Gewässer und unseres Grundwassers einsetzen, sind aktuell 41 Prozent weiblich. Wenn die Verteilung in den verschiedenen Aufgabenfeldern des Landesbetriebs naturgemäß auch sehr unterschiedlich ausgeprägt ist, kann man dabei insgesamt festhalten: Ob Ingenieurin, Juristin oder Biologin, Wasserbauerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Probenehmerin oder klassische Verwaltungsangestellte – Frauen stoßen inzwischen in unterschiedlichster Rolle in alle Berufsgruppen des NLWKN vor. So hat beispielsweise erst vor dreiJahren die junge Kollegin Carina de Vries als eine der ersten Wasserbaumeisterinnen Deutschlands die Leitung des NLWKN-Betriebshofs in Hilgenriedersiel (Ostfriesland) übernommen. Als solche führt sie heute ein Team von 25 fast ausschließlich männlichen Kollegen.
Haben Sie selbst in Ihrer Karriere schon einmal Diskriminierung aufgrund Ihres Geschlechts erfahren?
Persönlich hatte ich im Verlauf meines Werdegangs viel Glück mit meinen männlichen und weiblichen Vorgesetzten, die mich immer gefordert, aber stets auch umfangreich gefördert haben. So ist bei mir seit meinen beruflichen Anfängen vor mehr als 25 Jahren zu keinem Zeitpunkt der Eindruck entstanden, aufgrund meines Geschlechts benachteiligt zu werden. Das ist leider bei allen erzielten Fortschritten auch heute und auch in Deutschland durchaus noch nicht selbstverständlich.
Sie engagieren sich seit einigen Jahren abseits des Berufs im Rahmen der Arbeit von Soroptimist International für die Verbesserung der Stellung der Frau in der Gesellschaft. Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf – und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich würde mir ganz konkret auch für Niedersachsen wünschen, dass noch mehr Landesbehörden von Frauen geleitet werden, weil ich denke, dass dies noch mehr Frauen ermuntern würde, eine Führungsposition zu übernehmen. Persönlich wünsche ich mir gerade mit Blick auf die Privatwirtschaft für die Zukunft zudem nach wie vor mehr Mut: Mut, mehr Frauen den Zugang zu Führungspositionen zu ermöglichen und Qualifikationen und Fähigkeiten ohne Ansehen des Geschlechts zu betrachten. Aber auch mehr Mut von uns Frauen, sich Führungspositionen zuzutrauen und Chancen zu ergreifen. Schlussendlich auch den Mut, selbstbewusst Verantwortung übernehmen zu wollen. Gleichberechtigung bedeutet eben nicht nur, dass sich Männer und Frauen auf Augenhöhe begegnen. Es bedeutet auch Chancengleichheit bei der Einstellung und den beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten. Deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, auch beim Thema Gleichberechtigung von oben anzufangen, denn dann kann es auch in den unteren Organisationsebenen mit der Gleichstellung leichter vorangehen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
18.07.2024
Ansprechpartner/in:
NLWKN Pressestelle
Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
Göttinger Chaussee 76a / Am Sportplatz 23
30453 Hannover / 26506 Norden
Tel: +49 (0)511 3034-3322 sowie +49 (0)4931/ 947 -173 und +49 (0)4931/ 947 -181
Fax: +49 (0)4931/947 - 222