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Trotz feuchter Witterungsverhältnisse keine Entwarnung beim Grundwasser

Ein Jahr Grundwasserstandonline: Entwicklungen im Grundwasser sichtbar - Erfahrungsaustausch der Experten beim Grundwasser-Workshop


Von Dr. Gunter Wriedt, Dr. Tobias Holt und Dieter de Vries

Die feuchten Witterungsverhältnisse im Jahr 2023 und im Winter 2023/2024 führen zwar im Sommer 2024 zu deutlichen Erholungen der Grundwasserstände. Die zu erwartenden Folgen des Klimawandels geben jedoch weiter Anlass zur Sorge und erfordern landesweite und regionale Anpassungsstrategien.

Nach den anhaltend niedrigen Grundwasserstandsverhältnissen der vergangenen Jahre hinterließen die hohen Niederschläge im Jahr 2023 und vor allem im Winter 2023/2024 auch im Grundwasser deutliche Spuren. Während die Grundwasserstände seit den Trockenjahren 2018/2019 in vielen Regionen auf einem extrem niedrigen Niveau verharrten, wurde die saisonale Absenkung im Sommer 2023 in vielen Messstellen durch die höheren Niederschläge deutlich verzögert. Bereits im Oktober erreichten viele Messstellen einen (bezogen auf den Monatsmittelwert) hohen bis sehr hohen Grundwasserstand. Die Extremniederschläge im Winter führten dann vielerorts auch zu extrem hohen Grundwasserständen. Insbesondere in den ohnehin schnell reagierenden Tiefländern konnten die Grundwasserstände bisherige Jahreshöchstwerte überschreiten.

Von einer generellen Entwarnung oder Erholung der Grundwasserstände zu sprechen, hält der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) dennoch für unangebracht. Eine positive Entwicklung 2023 konnte nicht an allen Standorten festgestellt werden. In verschiedenen Geeststandorten, insbesondere in der Lüneburger Geest, fand der Landesbetrieb auch 2023 weiträumige Grundwasserstandsabsenkungen. Wie sich die Winterniederschläge 2023/2024 ausgewirkt haben, kann der NLWKN noch nicht abschließend bewerten, da die Grundwasseranstiege regional unterschiedlich deutlich ausfielen und aufgrund der zeitlichen Verzögerung an vielen Standorten im Frühjahr 2024 auch noch andauerten.

Die bisherigen Auswertungen zeigen zudem, dass deutliche Veränderungen der Grundwasserstände bei entsprechenden Witterungsbedingungen auch in kurzen Zeiträumen immer möglich sind. Ob die aktuell günstige Entwicklung von Dauer ist, hängt letztendlich an der Witterungsdynamik der kommenden Jahre und kann erst in der Rückschau bewertet werden.

Vor dem Hintergrund der unsicheren Projektionen der zukünftigen Niederschlagsentwicklung im Zuge des Klimawandels wird die Entwicklung der letzten Jahre vom NLWKN aufmerksam beobachtet.

Der sechste Sonderbericht im Rahmen des Grundwasserberichts Niedersachsen wird zurzeit vorbereitet. Eine Veröffentlichung erfolgt voraussichtlich im September 2024. Der Bericht fasst die Entwicklungen des Grundwasserstands im hydrologischen Jahr 2023 zusammen.

Exemplarischer Verlauf einer Grundwasserganglinie mit ausgeprägtem Jahresgang im Lockergestein von November 1986 bis Juni 2024 (Grundwassermessstelle Mahrenholz I, Landkreis Gifhorn, Lüneburger Heide). (Grafik: NLWKN)   Bildrechte: Grafik NLWKN
Exemplarischer Verlauf einer Grundwasserganglinie mit ausgeprägtem Jahresgang im Lockergestein von November 1986 bis Juni 2024 (Grundwassermessstelle Mahrenholz I, Landkreis Gifhorn, Lüneburger Heide).

NLWKN-Informationsportal „Grundwasserstandonline“ seit einem Jahr verfügbar

Seit Sommer 2023 lässt sich die Grundwasserstandsentwicklung in der Webanwendung „Grundwasserstandonline“ anschaulich und tagesaktuell nachvollziehen (www.grundwasserstandonline.nlwkn.niedersachsen.de). Das NLWKN-Informationsportal bietet seitdem die Möglichkeit, die tagesaktuelle Entwicklung des Grundwasserstands in Niedersachsen anhand 161 ausgewählter Grundwassermessstellen nachzuverfolgen und einen landesweiten Überblick über die aktuelle Situation des Grundwasserstands zu erhalten. Die veröffentlichten Wasserstandsdaten sollen die natürliche, witterungs- und klimatisch bedingte Grundwasserstandsentwicklung sichtbar machen. Auswirkungen etwa von Grundwasserentnahmen auf den Grundwasserstand lassen sich aus den Daten nicht dokumentieren oder ableiten. Die in der Webanwendung statistisch ermittelte Klassifikation der aktuellen Grundwasserstandsdaten dient vor allem einer besseren Einordnung in die langjährige Entwicklung der Grundwasserstände. Sie stellt keine Meldestufen dar, aus denen sich kritische Marken hinsichtlich des Grundwasserstands definieren lassen.

Vor dem Hintergrund der Trockenjahre seit 2018 stand bei der Entwicklung der Webanwendung die Betrachtung besonders niedriger Grundwasserstände und deren zeitnahe Entwicklung im Fokus. Der sehr niederschlagsreiche Winter 2023/2024 hat aber gezeigt, dass auch ein großes Interesse an zeitnah verfügbaren Informationen rund um die Entwicklung des Grundwasserstands bei besonders hohen Wasserständen besteht. Bis Mitte Juni 2024 waren die Grundwassermessstellen infolge der auch im ersten Halbjahr 2024 anhaltend hohen Niederschläge, mit einigen (kurzzeitigen) Ausnahmen, größtenteils durch normale bis sehr hohe Grundwasserstände gekennzeichnet. Am 18.06.2024 zum Beispiel wiesen 131 der 161 Messstellen (81%) weiterhin hohe bis sehr hohe Grundwasserstände auf. An zahlreichen Messstellen wurden sogar Höchstwerte überschritten (bezogen auf den Monatsmittelwert im Referenzzeitraum, i.d.R. 1991-2020).

Die bisherigen Anfragen und Rückmeldungen belegen ein großes Interesse seitens der Presse und der breiten Öffentlichkeit an dieser Darstellungsform und bescheinigen eine rege Nutzung des Angebots. Es bestehen daher Überlegungen, das Angebot auszubauen und weitere Grundwassermessstellen darzustellen.

Klassifikation des Grundwasserstands an den Grundwassermessstellen aus Grundwasser-standonline im Oktober 2022 (Trockenjahr mit sehr niedrigen Grundwasserständen).   Bildrechte: Karte NLWKN
Klassifikation des Grundwasserstands an den Grundwassermessstellen aus Grundwasser-standonline im Oktober 2022 (Trockenjahr mit sehr niedrigen Grundwasserständen).

29. Grundwasser-Workshop am 13. Juni 2024

Die Folgen des Klimawandels in der Wasserwirtschaft und Anpassungsstrategien für Niedersachsen und seine Regionen wurden beim 29. Grundwasser-Workshop des NLWKN in Cloppenburg diskutiert.

Einige dieser seit Jahren auch durch die Auswertung langjähriger Entwicklungen der Grundwasserstände gut belegbaren Trends bereiten den Wasserwirtschaftlern besonderes Kopfzerbrechen: Denn angesichts einer langfristigen Tendenz zu sinkenden Grundwasserständen, einer Zunahme der sommerlichen Defizite und möglicher künftiger winterlicher Überschüsse an Grundwasser muss in Zukunft regional mit größeren Schwankungen bei den Grundwasserständen gerechnet werden. Grundwasser- beziehungsweise Klimaexperten des NLWKN betonen daher, dass Strategien und Maßnahmen im Wassermanagement dieses zunehmende Ungleichgewicht zwischen saisonalem Angebot und den jeweiligen Bedarfen berücksichtigen müssen. Der Landesbetrieb beteiligt sich bereits seit 2008 aktiv an Forschungen zu den Themen Klimafolgenanpassung und Wassermanagement.

Auch wenn alle das Winterhochwasser und damit ein Überangebot noch sehr deutlich vor Augen haben, kann aufgrund der Trends und der von Expertinnen und Experten erwarteten Entwicklungen in Bezug auf den Grundwasserstand keine Entwarnung gegeben werden. Die Zahl der miteinander zu vereinbarenden Zielkonflikte rund ums Wasser wird dabei künftig noch zunehmen.

Neben landesweiten Strategien und Ansätzen rückte der Grundwasser-Workshop 2024 auch in den Fokus, was auf Basis dieser Konzepte auf regionaler Ebene bereits passiert und noch passieren muss: Von großräumigen, modellgestützten Planungen zur Sicherung der Wasserressourcen in einer der bedeutendsten Beregnungsregionen in Niedersachsen im Raum Lüneburg-Uelzen bis hin zur Erarbeitung übertragbarer Konzepte gemeinsam mit den Agierenden und der Bevölkerung vor Ort zum regionalen Wassermanagement in der Gemeinde Uetze in der Region Hannover. Unter dem Schlagwort „Smart Farming“ standen bei einem weiteren Vortrag des Landkreises Diepholz darüber hinaus Projekterfahrungen mit dem Einsatz digitaler Wasserzähler in der Feldberegnung im Blickpunkt.

Der Erfahrungsaustausch über diese und andere Vorhaben und Ideen im Flächenland Niedersachsen stand für den NLWKN im Zentrum der Fachveranstaltung. Die Diskussionen verdeutlichten bei allen Herausforderungen, dass sich die Agierenden auf Landesebene und in den Regionen zu vielen Fragen bereits Gedanken gemacht haben und in der Fläche schon viel passiert ist. In der Diskussion zur flächenhaften Einführung des digitalen Wasserzählers etwa wurde die Notwendigkeit zur landkreisübergreifenden fachlichen Zusammenarbeit als auch zum Unterstützungsbedarf durch das Land Niedersachsen betont.

Darüber hinaus gehe es aber auch um das Benennen offener Fragen: Wie gehen wir mit Zielkonflikten um? Sind wir uns über den künftigen Ressourcenbedarf im Klaren? Wo ist ein Nachschärfen bei administrativen Vorgaben nötig? Auf diese Fragen können nur gemeinsam Lösungen gefunden werden!

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