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Winterhochwasser 2023/2024

Historische Niederschlagsmengen sorgten für außergewöhnliche Hochwasserlage


Von Markus Anhalt und Marlena Heunecke

Eine Flutmulde an der Innerste.   Bildrechte: Marlena Heunecke, NLWKN
Eine Flutmulde an der Innerste.

Mit Niederschlagsmengen von durchschnittlich 155 Litern pro Quadratmeter war der Dezember 2023 der niederschlagreichste und damit nasseste Dezember seit Beginn der Wetteraufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes. Der vor Weihnachten 2023 einsetzende Dauerregen führte zu einer landesweiten gravierenden Hochwasserlage bis ins neue Jahr 2024 hinein. 18 Tage lang hat es fast ununterbrochen durchgeregnet. Das feuchte Wetter und die fast vollständig gesättigten Böden verursachten ein flächendeckendes Hochwasser, das Niedersachsen wochenlang in Atem hielt. Das Winterhochwasser 2023/2024 hat Niedersachsen vor allem während und zwischen den Feiertagen in einen regelrechten Ausnahmezustand versetzt.

Um solchen Ereignissen gut gewappnet entgegentreten zu können, gibt es beim NLWKN am Standort Hildesheim eine landesweit agierende Hochwasservorhersagezentrale (HWVZ), in der Abfluss- und Wasserstandsvorhersagen für gewässerkundliche Pegel im Binnenland berechnet werden. Grundlage für die Berechnungen der HWVZ bildet das Pegelmessnetz des Landesbetriebs, mit dem die aktuelle Situation in den Gewässern erfasst und bewertet wird. Gemeinsam mit den Hochwassermeldediensten in den Betriebsstellen warnt die Hochwasservorhersagezentrale Kommunen, Einsatzkräfte und Anwohner vor drohender Hochwassergefahr. Permanent aktualisierte Vorhersagen und Lageberichte auf www.pegelonline.nlwkn.niedersachsen.de wurden phasenweise bis zu 110.000 Mal pro halbe Stunde aufgerufen.

Auch für den NLWKN bedeutete diese außergewöhnliche Hochwasserlage einen außergewöhnlichen Einsatz. Die Hochwasservorhersagezentrale in der Betriebsstelle Hildesheim war vom 18. Dezember 2023 bis zum 12. Januar 2024 jeden Tag mit voller Besetzung im Dienst und hat die Lage nahezu rund um die Uhr neu bewertet – auch über die Feiertage. Bereits am Mittwoch, dem 20. Dezember 2023 hat sie für mehrere Einzugsgebiete Vorabinformationen beziehungsweise Warnungen herausgegeben und auf die drohende Hochwasserlage hingewiesen. Es gab also eine lange Vorwarnzeit, sodass sich die Einsatzkräfte vor Ort schon vor den Weihnachtstagen gut aufstellen und organisieren konnten.

Auch wenn an einigen Pegel die höchsten bisher gemessenen Wasserstände übertroffen wurden, das Außergewöhnliche an diesem Hochwasserereignis war die flächendeckende Betroffenheit Niedersachsens und die lange Dauer mit entsprechend großen Abflussvolumen. Eine solche landesweite Hochwassersituation hat es seit Bestehen der HWVZ noch nie gegeben – und gleichzeitig werden wir uns auf derartige Hochwasserlagen in Zukunft häufiger einstellen müssen. Die Erkenntnisse aus den NLWKN-Projekten zu den Folgen des Klimawandels zeigen, dass solche Hochwasserereignisse in Zukunft häufiger und intensiver auftreten werden.

In der Hochwasservorhersagezentrale haben die Fachleute extreme Hochwasserereignisse sowie die Situation in den Gewässern und an den Pegelmessstellen Niedersachsens permanent im Blick. Auf dem Portal veröffentlicht die Hochwasservorhersagezentrale im Hochwasserfall ständig aktualisierte Vorhersagen und regionsspezifische Hochwasserlageberichte, die auch von den Warn-Apps NINA und KATWARN übernommen werden. Während des Hochwassers hat die Hochwasservorhersagezentrale mehr als 150 Warnberichte und an über 50 Hochwassermeldepegeln gleichzeitig Hochwasservorhersagen veröffentlicht.

Komplexe Modelltechnik und ein umfangreiches Datenmanagement sind die Voraussetzungen, um Vorhersagen für die topographisch sehr unterschiedlichen Einzugsgebiete in Niedersachsen zu erhalten – vom Harz bis ins Norddeutsche Tiefland (tideunbeeinflusste Gebiete). Während des Winterhochwasser 2023/2024 waren in Niedersachsen alle Landesteile betroffen. Erstmals hat die Hochwasservorhersagezentrale auch Vorhersagen an der Ober- und Mittelweser berechnet und diese zielgerichtet in Warnmeldungen berücksichtigt.

Neben den Kollegen/innen der Hochwasservorhersagezentrale waren viele weitere Kollegen/innen des NLWKN rund um die Uhr im Einsatz. So wurden die Katastrophenabwehrbehörden durch die Kollegen/innen der Hochwassermeldedienste regelmäßig mit den aktuellsten Informationen versorgt. Die Pegeltechnik des NLWKN wurde im Hochwasserfall rund um die Uhr überwacht und Messungen durchgeführt. Auch die NLWKN-Mitarbeiter an den niedersächsischen Sperrwerken und Rückhaltebauwerken hatten ungewöhnliche Einsätze und sorgten während des Hochwassers für Entlastung an den Flüssen. Durch die guten Prognosen waren die Feuerwehren und Sandsäcke rechtzeitig an den gefährdeten Stellen, die Hochwasserbecken und Talsperren konnten erheblich zur Entlastung der Unterlieger beitragen. In enger Absprache mit der Talsperrenaufsicht, den Stauanlagenbetreibern und der Hochwasservorhersagezentrale konnte an den Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken, unter Berücksichtigung der Vorhersagen ein optimiertes Abgabemanagement gefahren werden. Damit konnten die Schäden des Hochwassers deutlich reduziert werden.


Braunschweig wappnete sich mit einem mobilen Deich gegen das Winterhochwasser.   Bildrechte: Markus Anhalt, NLWKN
Braunschweig wappnete sich mit einem mobilen Deich gegen das Winterhochwasser.

Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken sorgten für Entlastung

Eine auf den Prognosen der Hochwasservorhersagezentrale aufbauende gezielte Optimierung der Unterwasserabgaben durch die Harz-Talsperren, aber auch die Hochwasserrückhaltebecken in Salzderhelden, Klein Mahner und Alfhausen-Rieste haben deutliche Wirkung gezeigt. Spürbar haben die wasserwirtschaftlichen Bauwerke zur Reduzierung der Hochwasserscheitel beigetragen und zu einer Entlastung bei den Unterliegern geführt. Nach Einschätzung von Experten konnten so noch höhere Wasserstände und weitere Überschwemmungen vermieden werden.

Hochwasserentlastungsanlagen sind wichtige Betriebseinrichtungen einer Talsperre. Sie führen Wasser, welches nicht mehr im Hochwasserrückhalteraum gespeichert werden kann, gezielt und planmäßig sowie schadlos für die Talsperre ab. Sie schützen damit das Absperrbauwerk – insbesondere einen Staudamm oder eine Staumauer – vor einem unkontrollierten „Überlaufen“ der Talsperre über die Krone des Absperrbauwerkes.

Niedersächsische Sperrwerke sorgten ebenfalls für Entlastung an den Flüssen

Auch die Sperrwerke des NLWKN kamen zum Einsatz. Eigentlich schützen sie die Anrainer hinter ihren meterhohen Toren vor Sturmfluten: Sperrwerke wie das Hunte-Sperrwerk, das Schwinge-Sperrwerk oder das Ilmenau-Sperrwerk sind vor allem wichtige Instrumente des Küstenschutzes. Im Rahmen der landesweiten Hochwasserlage Ende 2023 und Anfang 2024 kamen die Bauwerke zu einem eher ungewöhnlichen Hochwassereinsatz: Ihre vorausschauende Steuerung ermöglichte eine spürbare Entlastung an den Flussunterläufen. Ein nicht alltäglicher Vorgang, der auch dem Sperrwerkspersonal lange Arbeitstage bescherte.

Überflutete Landstraße 572 bei Hollenstedt kurz oberhalb des Hochwasserrückhaltebeckens Salzderhelden   Bildrechte: Michel Radon, NLWKN
Überflutete Landstraße 572 bei Hollenstedt kurz oberhalb des Hochwasserrückhaltebeckens Salzderhelden
Abschlussbauwerk in Salzderhelden am 26.12.2023   Bildrechte: Michel Radon, NLWKN
Abschlussbauwerk in Salzderhelden am 26.12.2023
Abschlussbauwerk in Salzderhelden am 26.12.2023   Bildrechte: Michel Radon, NLWKN
Abschlussbauwerk in Salzderhelden am 26.12.2023
Hochwasserrückhaltebecken Salzderhelden im Bereich der Ortschaft Drüber am 27.12.2023   Bildrechte: Torsten Knoblauch, NLWKN
Hochwasserrückhaltebecken Salzderhelden im Bereich der Ortschaft Drüber am 27.12.2023
Das Hochwasserrückhaltebecken Salzderhelden am Schöpfwerk Sülbeck am 27.12.2023   Bildrechte: Torsten Knoblauch, NLWKN
Das Hochwasserrückhaltebecken Salzderhelden am Schöpfwerk Sülbeck am 27.12.2023

Außergewöhnlicher Einsatz während einer außergewöhnlichen Hochwasserlage

- Dezember 2023 war der niederschlagsreichste Dezember seit Beginn der Wetteraufzeichnungen (DWD)

- Regendauer von 18 Tagen mit nur wenigen Regenpausen

- Das Außergewöhnliche an diesem Hochwasserereignis war die flächendeckende Betroffenheit und die lange Dauer mit großen Abflussvolumen

- lange Vorwarnzeiten: Die erste Information/Warnung, auch an die Öffentlichkeit, ging bereits am 20.12.23 raus

- Überschreitung der höchsten Meldestufe M3 an 58 von 98 Pegeln

- Überschreitung HHW (höchster bekannter Wasserstand) an 13 Pegeln (bezogen auf alle veröffentlichten Pegel auf Pegelonline)

- Vorhersagen an 60 Pegeln gleichzeitig veröffentlicht – absoluter Rekord für die Hochwasservorhersagezentrale

- 154 regionsspezifische Lageberichte während des Hochwassers veröffentlicht

- Erstmals wurden auch Warnungen für die Weser mit rausgegeben - obwohl sich die Weser-Vorhersage noch im Testbetrieb befindet

- Die Hochwasservorhersagezentrale hat an rund 40 Besprechungen zur Steuerung von Bauwerken teilgenommen (Alfhausen-Rieste, Salzderhelden und Harz-Talsperren)

Zugriffe auf pegelonline

- Normalfall: zwischen 10 und 200/250 Aufrufe pro Minute

- Höchstzahl an Aufrufen pro Minute am 25. Dezember: bis zu 6.440 Aufrufe pro Minute

- Im Normalbetrieb läuft das Portal auf zwei Servern - während des akuten Hochwassers wurde auf 25 Server erhöht

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