Sieben – nicht auf einen Streich
Handlungsbedarf trotz zuverlässigem Schutz: NLWKN stellt Untersuchung zum Zustand der Sperrwerke an der Unterelbe vor
Von Andreas Kosch, Rainer Carstens und Carsten Lippe
Eine Kette von Sperrwerken an den Nebenflüssen der Elbe schützt die Menschen auf der niedersächsischen Seite der Unterelbe bisher zuverlässig vor den Sturmfluten der Nordsee. Damit das auch in einer Zukunft so bleibt, für die Forscher unter anderem einen beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels vorhersagen, hat der NLWKN unter Berücksichtigung der Niedersächsischen Küstenschutzstrategie 2020 eine umfassende Überprüfung der Bauwerke veranlasst. Im Ergebnis steht ein klarer Fahrplan, wie die teils über 50 Jahre alten Massivbauwerke in der Hauptdeichlinie für kommende Herausforderungen ertüchtigt werden müssen.
Die gute Botschaft vorweg: Alle überprüften Bauwerke können den zuletzt 2021 noch einmal deutlich erhöhten Bemessungswasserstand und damit die aktuellen Herausforderungen durch Sturmfluten trotz ihres Alters statisch auch weiterhin sicher bewältigen. Allerdings: Rechnet man die künftigen Herausforderungen durch den Klimawandel hinzu, die im Küstenschutz in Niedersachsen heute bereits in Form eines Vorsorgemaßes von einem Meter für den prognostizierten Meeresspiegelanstieg in den kommenden 100 Jahren bei Planungen mit berücksichtigt werden, kehrt sich das Bild ins Gegenteil.
Neben der Statik - der Standsicherheit des Massivbaus und der Tore - als maßgebliches Kriterium für den Küstenschutz wurden auch die Kriterien Überströmen des Bauwerks und Wellenüberlauf/Wellenschlag überprüft. Das Ergebnis: Bei einem Bemessungswasserstand ohne das Vorsorgemaß von 100 Zentimetern wird kein Bauwerk überströmt, aber fast alle Bauwerke sind von Wellenüberlauf betroffen.
Klar ist: Es sind in den kommenden 35 Jahren massive finanzielle Investitionen von mehreren hundert Millionen Euro und auch personelle Anstrengungen erforderlich, um die sieben Sperrwerke zwischen Oste und Lühe in einen zukunftsfähigen Zustand zu versetzen.
Sieben Projekte in 35 Jahren
Im Rahmen der Untersuchungen wurde auf Basis eines objektiven Kriterienkatalogs eine Priorisierung der erforderlichen Ertüchtigungsmaßnahmen vorgenommen. Den dringendsten Handlungsbedarf sehen die externen Gutachter und die Küstenschutzexperten des NLWKN vor allem beim Siel Wischhafen, beim Sperrwerk Ruthenstrom und dem Lühesperrwerk. Beim Siel Wischhafen, dem Bauwerk mit dem höchsten Handlungsdruck, sollen zunächst vorgezogene konstruktive Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden, die das Bauwerk fit für die nächsten Jahrzehnte machen. Zudem wurde 2024 bereits mit den Planungen für das Sperrwerk Ruthenstrom (Priorität 1) und das Lühesperrwerk (Priorität 2) begonnen, um das erklärte Ziel einer Umsetzung aller Projekte bis 2060 gewährleisten zu können. Die Untersuchung hat insgesamt folgende Priorisierung ergeben:
Rang | Bauwerk |
0 | Siel Wischhafen |
1 | Sperrwerk Ruthenstrom |
2 | Lühesperrwerk |
3 | Sperrwerk Freiburg |
4 | Sperrwerk Abbenfleth |
5 | Sperrwerk Schwinge |
6 | Ostesperrwerk |
7 | Sperrwerk Wischhafen |
8 | Siel Wischhafen - mit vorgezogenen Sicherungsmaßnahmen |
Abbildung: Das Ranking der Sperrwerke an der Unterelbe nach Dringlichkeit / Handlungsbedarf (Priorität).
Mit Blick auf das Sperrwerk Ruthenstrom und das Sperrwerk Abbenfleth sprechen sich die Gutachter bereits nach den bisherigen Untersuchungen für einen kompletten Neubau aus. Bei den übrigen Bauwerken wird es sich erst im Zuge der weiteren Planung entscheiden, ob ein Ersatzneubau oder eine Ertüchtigung des Bestandsbauwerks die beste Lösung darstellt. Dabei werden neben den fachlichen Aspekten auch die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit von den Planern unter die Lupe genommen.
Erhöhter Mittel- und Personalbedarf
Mit dem ambitionierten Fahrplan verbunden ist ein erheblicher Mittel- und Personalbedarf: Denn das vorhandene Personal etwa im Geschäftsbereich Betrieb und Unterhaltung des NLWKN ist mit dem Betrieb und der Instandhaltung der Anlagen bereits mehr als ausgelastet, zumal aufgrund des Alterungsprozesses der Anlagen der erforderliche Unterhaltungsaufwand weiter zunehmen wird. Und auch im Bereich Planung und Bau ist der Landesbetrieb bisher nicht breit genug aufgestellt, um die erforderlichen Großprojekte parallel stemmen zu können. Für diese Aufgabe baut der NLWKN deshalb derzeit am Standort Stade ein zweites Ingenieur-Team auf. Die neuen Küstenschützerinnen und Küstenschützer werden dabei von den erfahrenen NLWKN-Experten geleitet und eingearbeitet, die erfolgreich den Ersatzneubau der Hadelner Kanalschleuse realisiert haben.
Einen Ersatzneubau hatte der NLWKN 2022 in Otterndorf fertigstellt: die neue Hadelner Kanalschleuse als Multifunktionsbauwerk. Die Ertüchtigung eines bestehenden Sperrwerks setzt der NLWKN derzeit mit dem Ilmenausperrwerk im Winsener Ortsteil Hoopte um. Bis auf das Ostesperrwerk, das sich im Eigentum des Bundes befindet, werden die betroffenen Sperrwerke allesamt vom NLWKN für das Land Niedersachsen betrieben und unterhalten.
Artikel-Informationen
erstellt am:
28.03.2025
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