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Untersuchungen zur Verbesserung der Hochwassersituation an der unteren Mittelelbe

Länderübergreifende 2D-Modellierung unter Koordination Niedersachsens in 2024 erfolgreich abgeschlossen


Von Tim Rospunt

2002, 2003, 2006, 2011 und 2013 gab es an der Elbe große Hochwasserereignisse, die Menschen und Hochwasserschutzanlagen vor immense Herausforderungen stellten und auch zu enormen Schäden führten. Zusätzlich zur Anpassung und Erhöhung bestehender Hochwasserschutzeinrichtungen können abflussverbessernde Maßnahmen wie Deichrückverlegungen, Flutmulden oder Vegetationsmaßnahmen im Vorland sowie gesteuerte Rückhaltemaßnahmen auch dazu beitragen, den Wasserspiegel im Hochwasserfall zu senken und für zukünftige Hochwasserereignisse besser gewappnet zu sein. Welche Möglichkeiten dabei bestehen, das hat der NLWKN in einem Ende 2024 abgeschlossenen Projekt mittels 2D-Modellierungen untersucht und die Auswirkungen auf Hochwasserstände berechnet.

Grundsätzlich muss Hochwasserschutz länderübergreifend gedacht werden, ganz besonders an der Elbe als einem der bedeutensten Flüsse Deutschlands. Daher initiierten die Länder Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen gemeinsam mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) als Kooperationspartner im Jahr 2016 das Projekt “2D-Modellierung Tangermünde-Geesthacht zur Verbesserung der Hochwassersituation an der unteren Mittelelbe”. Aufgrund der Bedeutung bestand auch für die Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt ein Interesse an den Inhalten des Projekts, sodass sich beide Länder 2018 dem Projekt anschlossen. Die Koordination im länderübergreifenden Projekt lag bei Niedersachsen. Neben dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz waren beim NLWKN die Geschäftsbereiche 2 (Planung und Bau) und 3 (Wasserwirtschaft und Strahlenschutz) maßgeblich involviert. Weiterhin war die Biosphärenreservatsverwaltung Niedersächsische Elbtalaue einbezogen. Die Finanzierung erfolgte aus Mitteln der Länder und des Nationalen Hochwasserschutzprogramms (NHWSP).

Projektziele und Kernfragen

Wesentliches Ziel der Kooperationspartner war es, mittels numerischer 2D-Modellierung zu ermitteln, welche abflussverbessernden Maßnahmen lokal beziehungsweise welche Kombinationen an Maßnahmenüberregional zu einer signifikanten Reduzierung von Hochwasserständen führen. Zudem wollte man herausfinden, welche großräumigen Wirkungen mit Flutpoldermaßnahmen erzielt werden können. Weitere Kernfrage war die Wirkung von weiteren Flutpoldern an der Elbe im Untersuchungsgebiet im Zusammenspiel mit der Füllung der bestehenden Havelpolder sowie die Berechnung von Änderungen der (Hoch-)Wasserstände aufgrund von Veränderungen der Vegetation und der Vorlandhöhen in den letzten Jahrzehnten.

Erfahrungen aus Vorgängerprojekt und Neuerungen

Aufbauen konnten die Kooperationspartner dabei auf Erfahrungen des Vorgängerprojekts “2D-Modellierung an der unteren Mittelelbe zwischen Wittenberge und Geesthacht”. Dieses Projekt, welches von 2012 bis 2015 von den Ländern Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein und der BfG durchgeführt wurde, lieferte erste Ergebnisse zur Wirkung von abflussverbessernden Maßnahmen. Diese Ergebnisse fanden auch Einzug in den Rahmenplan “Abflussverbessernde Maßnahmen an der Unteren Mittelelbe“ (https://www.nlwkn.niedersachsen.de/download/116201), der 2017 vom NLWKN veröffentlicht wurde.

Durch die Erweiterung des Projektgebiets nach Oberstrom bis Tangermünde in Sachsen-Anhalt wird nun ein deutlich größerer Bereich der unteren Mittelelbe im 2D-Modell abgebildet, inklusive der aufgrund der Havelpolder für den Hochwasserschutz in diesem Bereich bedeutenden Havelmündung. So konnten die Hochwasserstandsabsenkung weiterer potentieller abflussverbessernder Maßnahmen sowie auch die Kombination verschiedener Möglichkeiten untersucht werden. Zusätzlich haben die Projektteilnehmer die Wirkung der Havelpolder im Zusammenspiel mit weiteren potentiellen Poldern wie etwa dem projektierten Polder Lenzer Wische berechnet - aufgrund der Wirkung von gesteuerten Poldern auch nach Unterstrom ein für Niedersachsen besonders relevanter Aspekt. Insgesamt konnte das 2D-Modell verbessert und im Vergleich zum Vorgängerprojekt eine höhere Genauigkeit erzielt werden.

Potentielle Deichrückverlegungsoption bei Gorleben im 2D-Modell als abflussverbessernde Maßnahme   Bildrechte: Quelle: BfG Bericht 2175
Potentielle Deichrückverlegungsoption bei Gorleben im 2D-Modell als abflussverbessernde Maßnahme

Ein Workshop in Wittenberge im Mai 2019 mit Fachleuten aus Wissenschaft, der Wasserwirtschafts- und Naturschutzverwaltung, von Verbänden und der interessierten Öffentlichkeit machte es möglich, weitere relevante Akteure in das Projekt einzubeziehen. Auf dem Workshop haben die Teilnehmer zahlreiche Maßnahmen vorgeschlagen, die ebenfalls in das Projekt eingearbeitet wurden.

Projektergebnisse zeigen Wirkung von abflussverbessernden Maßnahmen und Poldern

Insgesamt 47 ungesteuerte abflussverbessernde Maßnahmen mit Wirkung nach Oberstrom und mehrere gesteuerte Polder mit Wirkung nach Unter- und Oberstrom wurden bei einem hundertjährlichen Ereignis (HQ100) modelliert. Zusätzlich wurden Kombinationen aus realisierbar erscheinenden Maßnahmenoptionen betrachtet, da einige zunächst in Erwägung gezogene Optionen sich aufgrund verschiedener Restriktionen im Projekt als nicht realistisch umsetzbar darstellten.

Bei Einbeziehung aller als potentiell realistisch definierten ungesteuerten Maßnahmenoptionen konnte anhand der Modellrechnungen eine Absenkung der Hochwasserstände bei HQ100 von im Mittel bis zu etwa 15 Zentimetern und maximal bis zu 66 Zentimetern im Modellgebiet der unteren Mittelelbe (s. Abb. unten) dargestellt werden. Dabei ist die Wirkung der kombinierten Maßnahmen lokal unterschiedlich, sodass nicht auf der gesamten Fließstrecke von Tangermünde bis Geesthacht eine deutliche Verbesserung des Hochwasserschutzes allein durch abflussverbessernde Maßnahmen möglich ist.

Die Modellierung der Havelpolder und weiterer angedachter gesteuerter Polder an der unteren Mittelelbe zeigt, dass durch diese jeweils eine Absenkung des Wasserstands bei HQ100 nach Unterstrom im Dezimeterbereich und in Kombination eine Absenkung auf der Modellstrecken von ca. 30 bis 80 Zentimetern möglich wäre. Wesentlich ist hierbei eine möglichst optimale Poldersteuerung, um eine Hochwasserwelle effektiv zu kappen. Die deutlichsten Effekte mit Absenkungen des Hochwasserstandes bei HQ100 im Vergleich zum Referenzzustand von 50 bis 100 Zentimetern und lokal sogar bis zu 120 Zentimetern zeigt die Kombination aus gesteuerten Poldern und ungesteuerten abflussverbessernden Maßnahmen.

Neben den fachlichen Projektergebnissen bot das Projekt eine wichtige Austausch- und Netzwerkplattform zwischen den beteiligten Akteuren.

Ausblick

Die Ergebnisse des Projekts zeigen, dass ein länderübergreifender Ansatz beim Hochwasserschutz an der Elbe zielführend und notwendig ist. Das Projekt liefert wertvolle Hinweise, welche Absenkungen von Wasserspiegelagen im extremen Hochwasserfall länderübergreifend durch ungesteuerte abflussverbessernde Maßnahmen sowie gesteuerte Flutpolder an der unteren Mittelelbe möglich wären. Gleichzeitig stehen eine weitere planerische Betrachtung sowie gegebenenfalls Umsetzung derartiger Maßnahmen noch aus. Abflussverbessernde Maßnahmen können dabei neben der Erhöhung und Verstärkung bestehender Deiche ein Baustein sein, um für zukünftige extreme Hochwasserereignisse vorbereitet zu sein.

Aus dem Projekt ergaben sich weitere Fragestellungen und Betrachtungsansätze, die in Zukunft weiter untersucht werden sollen. Weiterhin steht zeitnah ein aktualisiertes digitales Geländemodell der deutschen Binnenelbe zur Verfügung, sodass mit diesem das 2D-Modell Tangermünde – Geesthacht aktualisiert und nach Möglichkeit der Modellbereich weiter vergrößert werden kann.

Den vollständigen Abschlussbericht des Projekts finden Sie hier: 2D-Modellierung Mittelelbe (https://doi.bafg.de/BfG/2024/BfG-2175.pdf)


Mögliche Absenkung von Wasserspiegellagen bei HQ100 nach Unterstrom durch potentielle abflussverbessernde Maßnahmen   Bildrechte: Quelle: BfG-Bericht 2175
Mögliche Absenkung von Wasserspiegellagen bei HQ100 nach Unterstrom durch potentielle abflussverbessernde Maßnahmen

Artikel-Informationen

erstellt am:
10.04.2025

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