Weitere Wirbellose
Die bisher aufgezählten Artengruppen sind relativ bekannt, enthalten aber nur einen sehr kleinen Teil des Tierreichs. Über diese weiter bekannten 'Standard-Artengruppen' hinaus wird eine Auswahl von Arten im Tierarten-Erfassungsprogramm von einem kleinen Kreis spezialisierter Ehrenamtlicher erfasst, aus weiteren Gruppen werden einzelne Indikatorarten bearbeitet. Zugleich werden diese Gruppen auch im Rahmen von Auftragsarbeiten, z. B. im Rahmen der Eingriffsregelung, als Indikatoren für den Zustand von Natur und Landschaft bearbeitet.
Die Arten dieser Gruppen sind zum großen Teil nur schwer bestimmbar, und es gibt nur einen vergleichsweise kleinen Personenkreis, dessen Mitglieder über entsprechend spezielle Kenntnisse verfügen. Deshalb können diese Artengruppen nicht mit der gleichen Intensität bearbeitet werden wie die 'Standardgruppen' des Tierarten-Erfassungsprogramms. Doch sie enthalten eine Reihe von 'Indikatorarten', für die man schwerlich auf Informationen verzichten kann. Das Wissen um Vorkommen von Arten dieser Gruppen kann im Einzelfall sehr bedeutsam sein und Grundlagenmaterial für Entscheidungen der Naturschutzbehörden darstellen.
Die Bedeutung dieser Artengruppen kommt in der Tatsache zum Ausdruck, dass sie mehrere Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie enthalten, die europaweit besonders zu schützen sind. Dies sind aus der Gruppe Mollusken die Bach- und die Flussperlmuschel und von den Käfern Hirschkäfer, Breitrand, Eremit und Großer Eichenbock. Die Arten dieser Gruppen besiedeln ganz unterschiedliche Lebensräume.
Die ganz oder zum Teil im Wasser lebenden Arten der Gruppen Süßwassermuscheln und -schnecken sowie Eintags-, Stein- und Köcherfliegen sind gute Indikatoren für die Qualität eines Gewässers, und zwar sowohl chemisch-physikalisch (Wassergüte) als auch strukturell (Gewässerbett/-ufer).
Bestimmte Käferarten, die auf bzw. von totem Holz leben, können Indikatoren sein für naturnahe Waldstandorte; gleiches gilt für eine Reihe von Landschnecken. Reliktvorkommen dieser Arten weisen daher auf mögliche Ansatzpunkte für Schutzmaßnahmen hin.
Unter den Hautflüglern sind besonders die Bienen, Sandwespen und Wegwespen sehr gute Indikatoren für naturnahe Offenlandschaften. Insbesondere die mehrere hundert Arten umfassende Gruppe der Bienen weist Indikatoren auf, die zum einen z. B. auf eine Pflanzenart als Nektar- und Pollenquelle angewiesen sind, zum anderen auf spezifische Nistplätze, wie Schneckengehäuse oder offene Sandfluren. Aufgrund der schwierigen Artbestimmung werden sich mit dieser Tiergruppe nur Spezialisten befassen können.
Aus der Gruppe der Krebse steht zum einen der ehemals weit verbreitete Edelkrebs (Astacus astacus) im Interesse des Tierarten-Erfassungsprogramms. Vor allem sollen Reliktvorkommen des Edelkrebses erfasst und beobachtet werden, die noch nicht der Krebspest zum Opfer gefallen sind. Der Edelkrebs ist im Anhang V der FFH-Richtlinie aufgeführt. Zum anderen sollen Krebsarten der temporären, also zeitweilig austrocknenden Gewässer erfasst werden, z. B. der Kiemenfußkrebs Siphonophanes grubei. Sie sind bedeutsame Indikatoren für naturnahe Gewässerlandschaften.
Aus der Gruppe der Egel wird der Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) erfasst. Diese Tierart besiedelt Weiher und ist ein Indikator für naturnahe Feuchtlandschaften. Die Art wird im Anhang V der FFH-Richtlinie aufgeführt. Auch wenn die deutschen Gewässer keine Lieferanten für den Blutegel-Einsatz in der Medizin sein können, ist es angezeigt, Informationen über den Bestand dieser seltenen Tierart zusammen zu tragen.
Als z. T. hochspezialisierte Pflanzensauger können auch Zikaden gute Indikatoren für den Zustand ausgewählter Lebensraumtypen sein. Im Rahmen des Tierarten-Erfassungsprogramms wird nur die Bergzikade (Cicadetta montana), erfasst, eine relativ leicht zu erfassende, seltene Indikator-Art von Kalkmagerrasen in Niedersachsen.
Wegen ihrer großen Artenzahl und der spezifischen Besiedlung unterschiedlichster Lebensräume werden auch die Wanzen vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) als Zustandsindikatoren für eine große Zahl von FFH-Lebensraumtypen zur Untersuchung empfohlen. Im Rahmen des Niedersächsischen Tierarten-Erfassungsprogramms kann aber auch diese Tiergruppe aus personellen Gründen nicht systematisch erfasst werden. Nur die sich nach Westen ausbreitende Streifenwanze, eine leicht zu bestimmende auffällige Art, wird beispielhaft zur Dokumentation dieses Ausbreitungsprozesses kartiert.
Von den Webspinnen werden bisher auch nur wenige ausgewählte Arten kartiert. Anhand der Wespenspinne wird die rasche Ausbreitung einer Tierart nach Westen dokumentiert. Daneben werden einige wenige spezifische Bewohner von Feuchtgebieten erfasst und die trockene Heiden besiedelnde sehr seltene Röhrenspinne Eresus cinnaberinus.
Unter den Plattwürmern eignet sich die Alpenplanarie (Planaria alpina) für die Zustandsbeurteilung von Quellen und ist deshalb als einzige Art dieser Gruppe in das Niedersächsischen Tierarten-Erfassungsprogramm aufgenommen worden.
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Artengruppen der niedersächsischen Arten-Erfassungsprogramme:
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