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Kraniche als Gastvögel in Niedersachsen

Rastvorkommen, Bestandsentwicklung, Schutz und Gefährdung


Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen
Heft 44
(2009), 110 S., 15,- € 2,50 €
von Thorsten Krüger und Bernd Oltmanns (Hrsg.)

Inhalt

Zu diesem Heft
Niedersachsen ein Kranich-Land? Wir meinen, diese Frage mit "ja" beantworten zu können. Schon in früheren Zeiten war der Kranich in Niedersachsen vor allem in den Urstromtälern von Elbe, Weser und Aller ein verbreiteter Brutvogel, der in Mooren, Sümpfen und Bruchwäldern vorkam. Noch heute weisen alte Orts- und Flurnamen im Lande, die mit der Vorsilbe "Kranen"- oder "Krannen"- beginnen, sowie lange gebräuchliche volkstümliche Namen für die Art, auf frühere, der Bevölkerung wohl bekannte Vorkommen des Kranichs hin. Doch durch die Zerstörung der Moore, Entwässerung der Feuchtgebiete und allgemein einer Intensivierung der Landnutzung etc. war der Kranich beinahe als Brutvogel verschwunden, so dass in den 1970er Jahren nur noch etwa zehn Brut- und Revierpaare Niedersachsen besiedelten. Durch die Wiedervernässung ehemaliger und Schaffung neuer Feuchtgebiete und Nasswaldparzellen sowie dank eines konsequenten Schutzes der Brutgebiete durch den Einsatz ehrenamtlicher Kranichbetreuer, der Staatlichen Forstämter und Naturschutzbehörden konnte ein Erlöschen der Vorkommen verhindert und eine Trendumkehr herbeigeführt werden. Flankiert durch in Nord- und Osteuropa ebenfalls angestiegene Brutbestände hat sich die Anzahl in Niedersachsen brütender Kraniche auf aktuell etwa 450 Paare erhöht, so dass die Art in der jüngsten Fassung der Roten Liste der in Niedersachsen und Bremen gefährdeten Brutvögel – erstmals überhaupt seit Einführung des Instruments "Rote Liste" – nicht mehr geführt werden muss. Niedersachsen ist somit wieder Heimat für etliche Kraniche geworden und nimmt gegenwärtig mit einem Anteil von etwa 8 % an der gesamtdeutschen Brutpopulation nach Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg den größten Bestand auf. Diese überaus positive Entwicklung, die mit der Wiederbesiedlung einstmals besetzter Areale einherging, ist inzwischen an verschiedenen Stellen dokumentiert worden.

Darüber hinaus kamen mit der Bestandserholung in Niedersachen, Ostdeutschland, Ost- und Nordeuropa auch immer mehr Kraniche außerhalb der Brutzeit auf ihrem Zug in die südlichen Winterquartiere sowie auf dem Heimzug im Frühjahr nach Niedersachsen. Kraniche ziehen seit jeher auf schmaler Front über Niedersachsen hinweg. Dabei existierten nur wenige etablierte Rastgebiete und Zwischenrastplätze, die von den Vögeln regelmäßig frequentiert werden, um zu rasten und sich für den Weiterflug zu stärken. Abseits dieses Zugkorridors traten Kraniche dagegen zumeist nur bei für sie ungünstigen Witterungsbedingungen und beispielsweise daraus resultierender Verdriftung auf. Inzwischen bieten ihnen jedoch die vor allem im Rahmen des Niedersächsischen Moorschutzprogramms entstandenen, weiten und störungsarmen Feuchtlebensräume ideale Rastmöglichkeiten, wodurch sich sowohl die Zahl der in Niedersachsen rastenden Kraniche enorm erhöht hat, als auch der Zugkorridor derzeit eine Aufweitung erfährt und einige neue Rastgebiete und Zwischenrastplätze entstanden sind. Von dieser bis dato noch nicht tiefer gehend analysierten, ebenfalls überaus positiven und erfreulichen Entwicklung bei Kranichen in Niedersachsen handelt dieses Heft.

Als sich vor einigen Jahren abzeichnete, dass es aufgrund der gestiegenen Rastzahlen des Kranichs zu einer Neubewertung des Gastvogelvorkommens der Art kommen müsste, beauftragte die Staatliche Vogelschutzwarte im NLWKN 2005 eine Aufbereitung des vorhandenen Datenmaterials. Hierbei sollte auch der Frage nachgegangen werden, ob es durch die veränderte Bestandssituation und die Nutzung bestimmter Lebensräume als Rastgebiete zu neuen Schutzerfordernissen für bestimmte Gebiete gekommen ist und ob es wegen der Kraniche zu potenziellen Konflikten mit Landnutzern kommen könnte. Kraniche sind Allesfresser, die hierzulande vorzugsweise auf Maisstoppelfeldern nach Nahrung suchen, in einigen Gebieten zu bestimmten Jahreszeiten jedoch an Getreide-Neueinsaaten durchaus auch Ernteschäden verursachen können. Der erste Beitrag dieses Heftes stellt die Rastbestandsentwicklung des Kranich von 1994-2006 dar, charakterisiert die einzelnen im Lande verstreut liegenden Rastgebiete und Zwischenrastplätze hinsichtlich ihrer Lebensraumausstattung sowie Habitatfunktionen für Kraniche und zeichnet die Rastphänologie in den einzelnen Gebieten nach. Darüber hinaus weist er auf Gefährdungen und Störquellen hin, bewertet die einzelnen Gebiete in ihrer naturschutzfachlichen Bedeutung als Gastvogellebensräume und beschreibt den Erhaltungszustand der Art als Gastvogel in Niedersachsen.

Der zweite Artikel widmet sich ebenfalls primär dem Kranich als Gastvogel – und zwar im Oldenburger Land, in dem die Art noch bis 1904 brütete (WIEPKEN 1896, SONNEMANN 1905), seither jedoch nur noch durchziehend vorkam. Das Oldenburger Land lag bis vor einigen Jahren lediglich mit seinem Südzipfel im Bereich des sich über Niedersachsen erstreckenden Zugkorridors. In der vorliegenden Arbeit wird beschrieben, wie sich das Vorkommen des Kranichs als Gastvogel von etwa 1850 bis heute verändert hat und stellt dar, wie es dabei von der Brutbestandsentwicklung in Deutschland und Europa beeinflusst wurde. Seit einigen Jahren existiert im mittleren Teil des Oldenburger Landes sogar ein Rastgebiet des Kranichs, das derzeit westlichste in Europa. Kraniche können heute selbst im Nordteil, an der Jadeküste und am Jadebusen, mehr oder weniger regelmäßig auf dem Zug beobachtet werden. Mit Spannung wird im Oldenburger Land überdies erwartet, dass der Kranich auch als Brutvogel die Region – nach mehr als 100 Jahren Abwesenheit – wieder besiedelt.

Im dritten Artikel geht es am Beispiel einer konkreten Planung in der Diepholzer Moorniederung um die Fragestellung, wie man die Auswirkung einer geplanten 380-kV-Freileitung auf die Vorkommen von rastenden und ziehenden Kranichen im Raum abschätzt und das Ausmaß bzw. die Erheblichkeit des Eingriffs beurteilt. Dies ist kein leichtes Unterfangen und die Autorinnen und Autoren mussten hierfür Neuland betreten, da es bislang keine einheitlich geltenden methodischen Standards zu Art und Umfang von Untersuchungen insbesondere zum Überflugverhalten und damit zur Abschätzung des Kollisionsrisikos von Vögeln, speziell Kranichen, an Freileitungen gibt. Zum Zwecke eines fachlich so belastbar wie möglich ausfallenden Prüfungsergebnisses hatte sich eigens eine "Arbeitgemeinschaft Kollisionsrisiko Kranich" gegründet, die sich aus den das Vorhaben planerisch begleitenden Umweltgutachterbüros Intac und Planungsgruppe Landespflege (PgL), der Arbeitgemeinschaft Naturschutz und Landschaftspflege (agnl) und dem Naturschutzring Dümmer (NRD) e. V. zusammensetzte. Die in der Studie präsentierten Ergebnisse sind als auf einem Modell basierend zu verstehen, welches auf Grundlage des bestmöglichen, verfügbaren Wissens über Raum-Zeit-Muster des Kranichs in der Diepholzer Moorniederung sowie Kollisionen begünstigende oder verhindernde Faktoren aufgestellt wurde, letztlich aber an mancher Stelle auf fachlichen Konventionen beruhen musste. Insofern will die hier vorgestellte Arbeit auch als eine Annäherung verstanden wissen, die schwierige Thematik der Vogelkollisionen mit technischen Bauwerken (hier: Freileitungen) in objektiv ermittelte Zahlen zu fassen und diese einer fachlichen Diskussion stellen.

Neben der Vorstellung der genannten Fachbeiträge und der Vermittlung von naturschutzfachlich relevanten Informationen möchte dieser Band auch Begeisterung wecken: Begeisterung für ein Naturerlebnis der besonderen Art – ziehende und rastende Kraniche. Nicht ohne Grund liegt eine Vielzahl von Text- und Bildbänden vor, in denen es neben der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Art bzw. der Familie der Kraniche auch oder primär um die Faszination "Kranich" geht (z. B. HACHFELD 1989, MEWES et al. 2003, SCHMIDT 2003, REICH 2004, TREUENFELS 2005, HASE 2005, ROLFES & ELSNER 2006, NOWALD & DIRKS 2006). Wohl kaum eine Vogelart, vielleicht noch die einzelnen Vertreter aus der Gruppe der "Wildgänse", wird derart mit dem Begriff "Zugvogel" verbunden, wie der Kranich. Der Anblick ziehender Kraniche ist immer ein Erlebnis, das beim Betrachter vielerlei Emotionen und Assoziationen weckt. Wer einmal an einem Kranichrastplatz den abendlichen Schlafplatzflug tausender Kraniche, begleitet mit lauten trompetenden Rufen, erlebt hat, der weiß, um was für ein überwältigendes und besonderes Naturschauspiel es sich handelt. Entlang des westeuropäischen Zugwegs der Art ist dieses Naturschauspiel heute auch in Niedersachsen zu erleben (s. a. LUNDIN 2005). Wir sollten die Kraniche gewissermaßen willkommen heißen und uns für den Schutz der weit gereisten Gäste und ihrer Lebensräume engagieren, damit Niedersachsen ein Kranichland bleibt!

Die Rückkehr der Art als Brutvogel und die Etablierung als Gastvogel sind, so dokumentiert es auch die vorgelegte Publikation, Ergebnis engagierter Arbeit des Naturschutzes. Hiermit ist jedoch auch der Auftrag verbunden, dem Schutzbedürfnis der Art weiterhin Rechnung zu tragen. Die Entlassung des Kranichs aus der Roten Liste bedeutet keineswegs, den Brutvogelschutz beim Kranich künftig nicht mehr im Blickpunkt zu behalten. Darüber hinaus gilt es, den Schutz der bedeutenden Rastvorkommen in Niedersachsen zu gewährleisten. Hierbei kommt den Europäischen Vogelschutzgebieten eine besondere Rolle zu. Die Sicherung der Schlafplätze innerhalb der Schutzgebietskulissen, der Schutz und die uneingeschränkte Erreichbarkeit der umliegenden Nahrungsflächen sowie die Vernetzung der Rastplätze gilt es zu gewährleisten. Beispielsweise indem der Schutz der Kranichvorkommen in den Schutzzweck der jeweiligen Gebiete festgeschrieben wird und indem Maßnahmen zur Sicherung und Verbesserung der örtlichen Situation umgesetzt werden. Nur durch ausreichend große und miteinander vernetzte Europäische Vogelschutzgebiete wird es gelingen, den Anforderungen des Artenschutzes, auch im Hinblick auf die Herausforderungen einer veränderten Landnutzung und den Belastungen durch den Klimawandel, wie sie für den Wasserhaushalt der Landschaft zu erwarten sind, gerecht zu werden.

Wir danken nicht nur den Autorinnen und Autoren, die zum Zustandekommen dieses Heftes beigetragen haben, sondern in besonderem Maße auch dem Naturfotografen Willi Rolfes, der mit seinen Aufnahmen vieles von der Faszination und den besonderen Momenten bei der Beobachtung der Vögel eingefangen hat.

Thorsten Krüger
Bernd Oltmanns

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Zug und Rast des Kranichs Grus grus in Niedersachsen 1994-2006
von Kerrin Lehn

Inhalt
1 Einleitung
2 Recherche- und Auswertungsmethoden
3 Kraniche als Zugvögel

3.1 Zugwege
3.2 Rast und Rastplätze
3.3 Populationsentwicklung
3.4 Abhängigkeit des Zug- und Rastverlaufs von der Witterung
4 Kranichrastplätze in Niedersachsen
4.1 Langes Moor
4.2 Teufelsmoorniederung
4.3 Tister Bauernmoor
4.4 Diepholzer Moorniederung
4.5 Lichtenmoor
4.6 Ostenholzer Moor
4.7 Zwischenrastplätze
4.8 Länderübergreifende (Zwischen-)Rastplätze in Ostniedersachsen
4.9 Neue Rastplätze?
5 Synthese
5.1 Rastbestand des Kranichs in Niedersachsen
5.2 Phänologie
5.3 Herkunft der Kraniche
5.4 Nahrungsflächen und Nahrungspräferenzen
6 Naturschutzfachliche Bewertung der Kranichrastgebiete
7 Vorkommen von rastenden Kranichen in niedersächsischen EU-Vogelschutzgebieten
8 Ursachen für den Anstieg des Kranichrastbestandes in Niedersachsen
9 Analyse der Gefährdungssituation und Schutzerfordernisse
10 Ausblick
Dank
11 Zusammenfassung
12 Literatur
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11 Zusammenfassung (Auszug)
Nach einer Einführung in die Bestandsentwicklung des Kranichs in Europa sowie die Thematik Kranichrast und Zug werden in Kap. 4 die sechs niedersächsischen Rastplätze, Langes Moor (Landkreis Cuxhaven), Huvenhoopsmoor in der Teufelsmoorniederung (Landkreise Rotenburg, Osterholz und Verden), Tister Bauernmoor (Landkreis Rotenburg), Diepholzer Moorniederung (Landkreise Diepholz, Vechta, Nienburg, Kreis Minden-Lübbecke), Lichtenmoor (Landkreis Nienburg) und Ostenholzer Moor (Landkreis Soltau-Fallingbostel), vorgestellt. Für jeden Rastplatz erfolgt eine Beschreibung der landschaftlichen Gegebenheiten, es werden die Rastbestandsentwicklung zwischen 1994 und 2006, die Raum-Zeit-Nutzung sowie Gefährdungen und auftretende Störungen detailliert aufgezeigt. Daran schließen sich Darstellungen der Zwischenrastplätze, der länderübergreifenden Rastplätze sowie eine Kurzvorstellung von Gebieten an, welche sich möglicherweise zu neuen Kranichrastplätzen entwickeln könnten. Nach diesen Einzelbetrachtungen erfolgt die Reflexion und Diskussion aus der gesamtniedersächsischen Perspektive.

Niedersachsen wird seit jeher von Kranichen sowohl im Herbst auf dem Wegzug als auch im Frühjahr auf dem Heimzug überflogen. Eine alljährliche, traditionelle Rast wie sie aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg bekannt ist, gab es bis vor wenigen Jahren allerdings nicht. Zwischen 1994 bis 1999 nahmen Beobachtungen von rastenden Kranichen in verschiedenen Gebieten Niedersachsens zu, gleichzeitig stiegen auch die Anzahlen der rastenden Vögel. Die wichtigsten Rastgebiete waren zu dieser Zeit die Diepholzer Moorniederung, das Ostenholzer Moor, das Tister Bauernmoor und das Lichtenmoor. In den Jahren 1994-1999 blieben Kraniche etwa zwei bis vier Wochen an den niedersächsischen Rastplätzen. Der Rasthöhepunkt lag während dieser Zeit etwa Mitte November.

In den nachfolgenden Jahren stiegen die Bestände des Kranichs in Niedersachsen kontinuierlich an. Die bereits in den 1990er Jahren als Rastplätze genutzten Gebiete nahmen in ihrer Bedeutung für Kraniche zu. In den Jahren 2000 bis 2006 wurden während des Wegzuges zwischen 2.830 (2001) und 44.802 Kraniche (2006) gleichzeitig in Niedersachsen festgestellt. Im Herbst 2006 hielten sich demzufolge fast 20 % der westeuropäischen Population an den niedersächsischen Rastplätzen auf. Im Frühjahr, zur Zeit des Heimzuges, rasteten hier zwischen 1.846 (2002) und 18.770 Kraniche (2006). Mit der Zunahme des Rastbestandes verlängerte sich die Aufenthaltsdauer von Kranichen an den Rastplätzen um bis zu neun Wochen von Ende September bis Ende Dezember. Die Maximalrastbestände wurden im Mittel der Jahre 2000 bis 2006 bereits eine Woche früher, in der ersten Novemberwoche erreicht.

Alle niedersächsischen Rastplätze sind durch das Vorhandensein von wiedervernässten Hochmooren, die von Kranichen als Schlafplätze aufgesucht werden, charakterisiert. Als Nahrungsflächen bevorzugen die Vögel Maisstoppeläcker, daneben werden auch Grünlandflächen, Brachen und gelegentlich Moore zur Nahrungssuche genutzt. Von den sechs niedersächsischen Rastplätzen sind vier Gebiete als Gastvogellebensraum von internationaler Bedeutung.

Abschließend wird auf die Ursachen und Gründe des Anstiegs des Kranichrastbestandes in Niedersachsen sowie auf die Gefährdungssituation eingegangen. Ein Grund für die positive Bestandsentwicklung wird in der bemerkenswerten Zunahme der westziehenden Population des Kranichs gesehen, die den Erfolg der langjährigen Schutzbemühungen widerspiegelt. Zeitgleich und eng mit dieser Entwicklung einhergehend, stehen der Anstieg und die Ausbreitung der deutschen Brutpopulation in westliche Richtungen, die durch umfangreiche Wiedervernässungs- und Renaturierungsmaßnahmen, die in vielen Hochmooren während der letzten 20 bis 30 Jahre durchgeführt worden sind, möglich wurde. In den großräumig wiedervernässten Hochmooren finden Kraniche darüber hinaus sehr geeignete Schlafplätze. Die landwirtschaftliche Nutzung mit Schwerpunkt im Maisanbau stellt zudem eine energiereiche Nahrungsquelle (Ernterückstände auf Maisstoppeläckern) dar. Dadurch ergeben sich ideale Rastplatzkonstellationen mit hohen Aufnahmekapazitäten. Als weiterer Faktor ist die Lage Niedersachsens innerhalb der westeuropäischen Zugroute zu nennen – mit den niedersächsischen Rastgebieten kam ein wichtiger Trittstein im europäischen Zugverlauf hinzu.

Durch die Errichtung von Windenergieanlagen kommt es in einigen niedersächsischen Rastgebieten zu einer Verschlechterung der Rastplatzqualität. Des Weiteren stellen auch bestehende Hoch- und Höchstspannungsleitungen, die keine Markierung des Erdseils aufweisen, eine Gefährdung für Kraniche dar. Aufgrund des stark erhöhten touristischen Interesses an der Kranichrast treten in verschiedenen Gebieten immer wieder Störungen infolge unzureichender Besucherlenkender Maßnahmen auf. Zur Minimierung der Gefährdungen und Störungen sind entsprechende Maßnahmen in den jeweiligen Gebieten dringend erforderlich.

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Vorkommen und Verbreitung des Kranichs Grus grus im Oldenburger Land - Historische Besiedlung, Durchzug, Rast und Wiederansiedlung
von Kerrin Lehn & Thorsten Krüger

Inhalt
1 Einleitung
2 Untersuchungsgebiet: Oldenburger Land
3 Material und Methoden
4 Kraniche im Oldenburger Land
5 Resümee
Dank
6 Zusammenfassung
7 Literatur

6 Zusammenfassung
Das Oldenburger Land im Nordwesten Niedersachsens liegt an der westlichen Verbreitungsgrenze des Kranichs in Europa. Nachweise zum Vorkommen des Kranichs im Oldenburger Land liegen ab Anfang des 19. Jahrhunderts vor. Damals war die Art ein seltener Durchzügler im Süden des Betrachtungsgebietes, die vor allem während des Heimzugs festgestellt wurde. Die Vögel nutzten als Zwischenrastplätze die südoldenburgischen Moore. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gingen im Oldenburger Land solche kurzzeitig genutzten Rastplätze als Folge der Urbarmachung und Nutzung der Hochmoore verloren. Bis Ende der 1970er Jahre waren Beobachtungen ziehender oder rastender Kraniche selten und fielen hauptsächlich in Perioden ungünstiger Witterungsbedingungen.

Seit 1980 liegen aus fast allen Jahren Frühjahrs- und Herbstfeststellungen von Kranichen vor. Dabei zeigt sich zwischen 1980 und 2007 ein deutlich positiver Trend sowohl bei der Zahl der Beobachtungen als auch bei der Anzahl der Kraniche. So sind zwischen 1983 bis 1995 126 Sichtungen von insgesamt 5.635 Kranichen dokumentiert, aus dem Zeitraum 1996 bis 2007 hingegen 411 Feststellungen von 136.127 Vögeln. Bis Ende der 1990er Jahre zogen die meisten Kraniche im Frühjahr während des Heimzugs durch; aktuell werden die höchsten Anzahlen im Herbst ermittelt. Inzwischen haben sich im Oldenburger Land zwei Rastplätze des Kranichs entwickelt. Im Großen Moor bei Barnstorf, Landkreis Vechta, rasten seit 2000 regelmäßig mehrere Tausend Kraniche vor allem während des Wegzugs (z. B. Herbst 2007 5.040 Kraniche). In den abgetorften Bereichen des Vehnemoores im Landkreis Cloppenburg stellten sich mit den erfolgten Wiedervernässungsmaßnahmen geeignete Schlafplatzbedingungen ein. Hier legten im Herbst 2007 bis zu 640 Kraniche einen Zwischenstopp ein. Darüber hinaus werden die Hunteniederung östlich von Oldenburg, das Große Moor bei Vörden, Landkreise Vechta und Osnabrück, sowie die Umgebung des Dümmers, Landkreise Vechta und Diepholz, von Kranichen als Zwischenrastplätze angeflogen.

Der erste Nachweis des Kranichs als Brutvogel im Oldenburger Land ist aus dem Jahr 1893, eventuell bereits 1892, aus dem Vehnemoor, Landkreis Cloppenburg, überliefert. Allerdings gab dieses Brutpaar bereits 1904, aufgrund von Störungen durch Anwohner (Entnahme von Eiern und Jungvögeln) sowie der zunehmenden torfwirtschaftlichen Nutzung, seinen Brutplatz wieder auf. Aus den nachfolgenden Jahren sind für das Oldenburger Land keine Vorkommen brutverdächtiger Kraniche mehr dokumentiert. In den 1970er Jahren gelangen drei Feststellungen und aus den 1980er Jahren liegen 16 Beobachtungen von insgesamt 136 Kranichen von zwölf Orten vor. Die Mehrzahl dieser Nachweise wurde im Monat April erbracht und umfasst daher vermutlich noch viele Durchzügler oder Nichtbrüter.

Ab den späten 1990er Jahren häuften sich Sichtungen von Kranichen während der Brutzeit im Bereich wiedervernässter Hochmoore des Oldenburger Landes. Zu dieser Zeit begann man mit ersten Wiedervernässungs- und Renaturierungsmaßnahmen in den abgetorften Mooren im Rahmen des Niedersächsischen Moorschutzprogramms, wodurch u. a. für Kraniche geeignete Brutbedingungen entstanden. Unmittelbar an der Grenze des Oldenburger Landes, im Naturschutzgebiet "Stapeler Moor" im Landkreis Leer, wurde bereits 1992 ein ortstreues Kranichpaar nachgewiesen, seit dem Jahr 2000 halten sich hier regelmäßig bis zu drei Revierpaare auf. Daneben haben sich im Oldenburger Land zwei Schwerpunkträume für Brutzeitvorkommen herausgebildet: das Ipweger Moor in den Landkreisen Ammerland und Wesermarsch sowie der Bereich der Küstenkanalmoore um das Vehnemoor im Landkreis Cloppenburg. Bislang konnte kein Brutnachweis im Oldenburger Land erbracht werden, allerdings liegen Hinweise auf Ansiedlungsversuche, beispielsweise aus dem NSG "Barkenkuhlen" im Ipweger Moor vor. Die Größe und geringe Einsehbarkeit der als potenzielle Brutgebiete in Frage kommenden Flächen lässt nicht ausschließen, dass der Kranich möglicherweise bereits "unbemerkt", nach mehr als 100 Jahren Abwesenheit, als Brutvogel in das Oldenburger Land zurückgekehrt ist.

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Ermittlung des Kollisionsrisikos für Kraniche Grus grus während der Herbst- und Frühjahrsrast innerhalb des nordwestlichen Teil der Diepholzer Moorniederung an einer geplanten 380-kV-Freileitung
von Ilse Albrecht, Dietmar Drangmeister, Frank Körner, Kerrin Lehn, Ulrike Marxmeier & Friedhelm Niemeyer

Inhalt
1 Enleitung
2 Untersuchungsraum
3 Bestandsanalyse zur Situation des Kranichs im nordwestlichen Teil der Diepholzer Moorniederung
4 Kollisionsgefährdung des Kranichs an Freileitungen
5 Methodik zur Ermittlung des Kollisionsrisikos
6 Ermittlung des Kollisionsrisikos
7 Markierung von Freileitungen
8 Methodendiskussion und Resümee
Dank
9 Zusammenfassung
10 Literatur

9 Zusammenfassung
Die E.ON Netz GmbH plant den Bau einer 380-kV-Freileitung vom Umspannwerk Ganderkesee (Landkreis Oldenburg) bis zum Umspannwerk St. Hülfe. (Landkreis Diepholz). Der südliche Teil des Planungsraums liegt innerhalb der Diepholzer Moorniederung, die als Rastgebiet für den Kranich von internationaler Bedeutung ist. Aus diesem Grund sollte das Kollisionsrisiko für Kraniche während der Herbst- und Frühjahrsrast an der geplanten 380-kV-Freileitung unter Berücksichtigung des Raum-Zeitmusters bestimmt werden. Die Untersuchung ist von einer Arbeitsgruppe durchgeführt worden, der folgende Mitglieder angehören: Arbeitsgruppe für Naturschutz und Landschaftspflege (AGNL), Naturschutzring Dümmer e.V. (NRD) und Intac/Planungsgruppe Landespflege (PGL).

Für die Ermittlung des Kollisionsrisikos für Kraniche an der geplanten 380-kV-Freileitung musste eigens eine Methode entwickelt werden, da bisher keine einheitlich geltenden methodischen Standards zu Art und Umfang von Untersuchungen zum Überflugverhalten und damit zur Abschätzung des Kollisionsrisikos von Vögeln an bestehenden Freileitungen existieren. Die Entwicklung der Methode basiert auf den zur Verfügung stehenden Daten einschließlich umfangreichen Datenmaterials aus mehrjährigen Erfassungen und Schlafplatzzählungen des BUND Diepholzer Moorniederung und ist auf die konkrete Situation in der Diepholzer Moorniederung abgestimmt.

Die Methode basiert auf folgenden vier Bausteinen:

  • Baustein 1: Ableitung eines Kollisionsfaktors (=Anzahl der Kollisionsopfer im Verhältnis zu den überfliegenden Kranichen),
  • Baustein 2: Ermittlung der Anzahl der Überflüge pro Rastsaison über die geplante 380-kV-Freileitung,
  • Baustein 3: Prognostizierung der künftigen Entwicklung des Kranichrasbestandes in der Diepholzer Moorniederung,
  • Baustein 4: Bestimmung eines Reduktionsfaktors zur Berücksichtigung der Wirkung von Erdseilmarkierungen.

Durch Anwendung des Kollisionsfaktors auf die konkrete Situation im Trassenverlauf der geplanten 380-kV-Freileitung unter Einbeziehung der künftigen Entwicklung sowie von Korrektur- und Reduktionsfaktoren kann die Anzahl an Kranichen prognostiziert werden, die möglicherweise an der geplanten 380-kV-Freileitung kollidieren.

Die Anwendung der Methode ergibt für die Rastsaison 2006/07 eine Spannweite an möglichen Kollisionsopfern von 1,8-5,1 Kranichen. Unter Einbeziehung der zukünftig prognostizierten Überflüge liegt die Anzahl an Kollisionsopfern zwischen 2,5-7,1. Durch eine effektive Markierung des Erdseils verbleibt das Risiko von 0,5-1,4 kollidierten Kranichen pro Rastsaison an der geplanten Freileitung.

Die Arbeitsgemeinschaft Kollisionsrisiko Kranich beurteilt das Kollisionsrisiko für rastende Kraniche an der geplanten 380-kV-Freileitung wie folgt: Bei dem ermittelten Wert von maximal 7,1, unter Berücksichtigung der anzubringenden Erdseil-Markierungen von maximal 1,4 verunfallten Kranichen pro Rastperiode ist eine negative Beeinflussung des günstigen Erhaltungszustands des Kranichs in seinem Rastgebiet Diepholzer Moorniederung allein auf Grund des Kollisionsrisikos an der geplanten 380-kV-Freileitung nicht zu erwarten.

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Kraniche als Gastvögel in Niedersachsen   Bildrechte: NLWKN
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Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Veröffentlichungen

Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
Göttinger Chaussee 76 A
D-30453 Hannover
Tel: +49 (0)511 / 3034-3305

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