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Grundlagen für ein Artenhilfsprogramm „Birkhuhn in Niedersachsen“

Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen


Heft 42 (2007), 114 S., zahlreiche Diagramme u. Abbildungen, 15,- € 2,50 €
von Jann Wübbenhorst und Johannes Prüter

--> Zusammenfassung
--> Summary

Inhalt

Vorwort

1 Einleitung
2 Zur Ökologie des Birkhuhns in Niedersachsen
2.1 Habitat
2.2 Nahrung
2.3 Populationsdynamik
2.4 Siedlungsdichte
2.5 Gefährdungsursachen

3 Verbreitung und Bestandsentwicklung

3.1 Zur Bedeutung und Problematik der Rekonstruktion der Birkhuhn-Bestandsentwicklung
3.2 Die Entwicklung in den Landkreisen und Regionen
3.2.1 Westliches Niedersachsen
3.2.2 Nördliches und nördöstliches Niedersachsen
3.2.3 Zentralniedersächsische Moorgeest, Allerniederung und Drömling
3.3 Zusammenfassung: Bestandsrückgang und Arealschwund in Niedersachsen
3.3.1 Bestand und Verbreitung vor 1950
3.3.2 Bestandsentwicklung seit 1950: Räumliches und zeitliches Muster des Rückgangs
3.3.3 Fazit
3.4 Bestandsentwicklung und Verbreitung in angrenzenden Gebieten
3.4.1 Andere Bundesländer
3.4.2 Westeuropa und Skandinavien
3.5 Auswilderungsprojekte
3.5.1 NSG "Großes Moor", Landkreis Gifhorn
3.5.2 NSG "Langes Moor", Landkreis Cuxhaven
3.5.3 NSG "Hahnenknooper Moor", Landkreis Cuxhaven
3.5.4 Hahnenmoor, Landkreise Osnabrück und Emsland
3.5.5 Auswilderungsprojekte in anderen Bundesländern
3.5.6 Bilanz der Auswilderungsprojekte
3.6 Die Birkhuhnpopulation der Lüneburger Heide – Bestandsentwicklung, Struktur und zeiträumliche Dynamik
3.6.1 Bestandsentwicklung und Teilpopulationen in den aktuellen und ausgewählten ehemaligen Vorkommensgebieten
3.6.2 Wanderbewegungen
3.6.3 Genetische Risiken und Metapopulationsstruktur

4 Struktur der Birkhuhnhabitate
4.1 Habitatstrukturanalyse für die Teilpopulationen des Birkhuhns in den Kerngebieten des NSG Lüneburger Heide
4.1.1 Vorgehensweise
4.1.2 Ergebnisse
4.2 Größe und Mindestbreite von Heidegebieten mit aktuellen oder ehemaligen Birkhuhnvorkommen
4.3 Habitatstrukturen und Habitatmanagement in den verbliebenen Vorkommensgebieten in Niedersachsen
4.3.1 Vorgehensweise
4.3.2 Birkhuhnlebensräume auf Truppenübungsplätzen
4.3.3 Birkhuhnlebensräume in der historischen Kulturlandschaft (NSG Lüneburger Heide)
4.4 Vergleich der Birkhuhnhabitate

5 Einfluss von Prädatoren auf Birkhuhnpopulationen
5.1 Literaturübersicht: Prädatorenarten und ihre Bedeutung für das Birkhuhn
5.2 Bestandsentwicklung potentieller Prädatoren des Birkhuhns
5.2.1 Situation in Deutschland und Niedersachsen
5.2.2 Situation in aktuellen Birkhuhngebieten Deutschlands
5.3 Bedeutung der Prädation in mitteleuropäischen Reliktvorkommen des Birkhuhns
5.3.1 Einschätzungen aus ehemaligen und aktuellen Birkhuhngebieten in Deutschland und angrenzenden Ländern
5.3.2 Einschätzungen aus den aktuell verbliebenen Birkhuhngebieten
5.3.3 Diskussion und Schlussfolgerungen
5.4 Möglichkeiten und Chancen des Prädatorenmanagements in Birkhuhngebieten
5.4.1 Birkhuhn-Projekt bayerische Hochrhön
5.4.2 Birkhuhngebiete im Naturraum Lüneburger Heide
5.4.3 Beispiele aus anderen europäischen Birkhuhnlebensräumen
5.4.4 Einschätzung der Potenziale einer Prädatorenkontrolle

6 Grundlinien eines möglichen Schutzkonzepts
6.1 Schutzstrategie
6.2 Maßnahmen zur Sicherung der vorhandenen Teilpopulationen
6.2.1 Schutz des Lebensraumes: Erhaltung und Optimierung geeigneter Habitatstrukturen
6.2.2 Prädatorenmanagement
6.2.3 Zurückdrängung des Fasans
6.2.4 Vermeidung von Störungen
6.3 Sicherung und Entwicklung von Korridoren und Trittsteinbiotopen
6.4 Sicherung und Entwicklung potenziell wieder besiedelbarer Gebiete
6.5 Wiederansiedlung
6.6 Zusammenfassung
6.7 Summary

7 Literatur

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Zusammenfassung

Der Rückgang des Birkhuhns in Niedersachsen ist mit gerichteten Landschaftsveränderungen einhergegangen, die zu drastischer räumlicher Verringerung und Verinselung potenzieller Birkhuhnhabitate geführt haben. Fast alle Reliktpopulationen in den verinselten Lebensräumen sind inzwischen erloschen. Einzig im Naturraum Lüneburger Heide hat sich ein autochthoner Bestand erhalten, der nach allen vorliegenden Hinweisen als Metapopulation aufgefasst werden kann.

Als besondere Charakteristika dieser Lebensräume, die für deren Eignung als Birkhuhnhabitat verantwortlich sind, dürften gelten:

  • weite Offenlandschaften mit vielfältig eingesprengten Gehölzstrukturen
  • hohe Grenzliniendichte
  • Reichtum an jungen Sukzessionsstadien in der Vegetationsentwicklung (einschließlich von Weichhölzern geprägten lichten Waldstrukturen)
  • hohe Landschaftsdynamik durch geplante oder unwillkürliche Einflüsse auf Boden und Vegetation (u.a. Feuer)
  • kein oder nur geringer Nährstoffeintrag durch landwirtschaftliche Düngungen im oder im Umfeld der Vorkommensgebiete
  • vermutlich geringerer Prädatoreneinfluss im Vergleich zu Lebensräumen mit höherem Grünlandanteil
  • Störungsarmut durch ausbleibenden oder angemessen gelenkten Besucherverkehr.

Dass sich Birkhühner heute vorrangig in den von Sandheiden geprägten Lebensräumen gehalten haben, muss nicht bedeuten, dass dies in der mitteleuropäischen Kulturlandschaft die Optimalhabitate sind. Den verfügbaren Daten zufolge waren die Siedlungsdichten in den teilweise meliorierten Hochmoorgebieten vor Beginn der industriellen Abtorfung um 1900 und auch noch um 1950/1960 wesentlich höher als in den Sandheiden. Es ist nicht auszuschließen, dass bestimmte mittelbar oder unmittelbar wirkende anthropogene Rückgangsursachen (z.B. Standortveränderungen, Immissionen, Schadstoffbelastungen, Prädation, Störungen) in den Sandheidegebieten des Naturraums Lüneburger Heide weniger gravierend wirken als außerhalb.

In den verbliebenen Vorkommensgebieten in Niedersachsen sind die Bestände des Birkhuhns seit etwa 20 Jahren (unter starken Schwankungen) etwa auf gleichem Niveau geblieben, z.T. gibt es sogar einen leicht positiven Trend. Vergleiche mit früheren Bestandszahlen lassen vermuten, dass die Siedlungsdichte des Birkhuhns in diesen Gebieten während des 20. Jahrhunderts in der Regel nicht wesentlich höher war als heute in "guten" Jahren. Daraus folgt, dass eine wesentliche Steigerung der Populationsgröße in Niedersachsen wohl nur möglich ist, wenn es gelingt, neue Lebensräume für das Birkhuhn zu erschließen und damit die insgesamt besiedelte Fläche zu vergrößern.

Versuche zur nachhaltigen Reduktion potenzieller Prädatoren sehen sich bei gegebener Gebietskulisse Anforderungen hinsichtlich Intensität und Dauerhaftigkeit gegenüber, denen realistischerweise kaum nachgekommen werden kann. Da überdies Zweifel bestehen, ob in den an generalistischen Prädatoren nicht besonders reichen Sandheidegebieten Eingriffe in Populations- und Territorialstrukturen von Beutegreifern für das Birkhuhn förderlich sind, sollte im Rahmen eines Artenschutzkonzepts kein besonderes Gewicht auf dieses Themenfeld gelegt werden.

Nach den vorliegenden Erfahrungen mit der Auswilderung von Birkhühnern sollte von weiteren Maßnahmen dieser Art abgesehen werden, auch und vor allem im Nahbereich der noch vorhandenen autochthonen Bestände. Die Entwicklung der von Hoch- und Niedermooren geprägten Landschaften in Mittel- und Westniedersachsen sollte aber hinsichtlich ihrer Eignung als Birkhuhnlebensräume gründlich verfolgt werden. Für den Fall, dass großräumig nutzbare Lebensräume in für das Birkhuhn unerreichbarer Distanz wieder entstehen sollten, wäre die Frage nach geeigneten Methoden der Wiederansiedlung neu und am speziellen Fall zu prüfen.

Um im Sinne der EU-Vogelschutzrichtlinie für das im Anhang 1 genannte Birkhuhn besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich seiner Lebensräume anzuwenden, um Überleben und Vermehrung im Verbreitungsgebiet sicherzustellen, müssen die bestehenden Vorkommensgebiete durch geeignete Biotopentwicklungsmaßnahmen im bestmöglichen Zustand erhalten werden. Der Blick muss dabei aber auch über die verbliebenen Vorkommensgebiete hinaus gerichtet werden. Die nach vorliegenden Hinweisen nach wie vor gegebene Dismigrationsdynamik in den verbliebenen Teilpopulationen des Birkhuhns begründet die Erwartung, dass eine Schaffung oder qualitative Verbesserung von potenziellen Lebensräumen in erreichbarer Entfernung der wesentlichste Ansatz für eine Stabilisierung des niedersächsischen Birkhuhnbestandes ist. Die verfügbaren Instrumente und Förderprogramme zur Regionalentwicklung sollten bestmöglich für diese Artenschutzbelange nutzbar gemacht werden.

Aktuelle genetische Analysen der niederländischen Restpopulation lassen vermuten, dass die Birkhühner des mitteleuropäischen Tieflandes möglicherweise nicht nur einem anderen Ökotyp, sondern auch einer anderen Unterart angehören als die skandinavischen und alpinen Populationen. Sollte sich dies bestätigen, wäre eine Neubewertung des europaweiten Schutzstatus für diese Populationen notwendig.

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Summary
The decline of black grouse in Lower Saxony has been paralleled to manmade changes in the landscape bringing about a drastic decline in spatial extent and isolation of its potentially suitable habitats. Almost all reclict populations that had hitherto survived in isolated habitats have meanwhile become extinct. Solely the ‚Lünebeurger Heide’ area still hosts autochthonous specimens which to consider as a metapopulation seems to be warranted by all information available.

The distinct characteristics making for a suitability as habitat for black grouse seem to be as follow:

  • Open landscape dotted with small stands of trees and/or shrubbery
  • High amount and variety of borderlines between habitat structures
  • Wealth of early states of botanical succession including initial forests dominated by softwood species
  • High dynamics in landscape genesis by either intended or unintended impact on soil and/or vegetation, e.g. fires
  • No or almost no influx of nutrients from agricultural manure to the habitats or their nearer vicinity
  • Lesser predatory pressure as compared to grassland habitats
  • Infrequent disturbances through absence of or smartly directed visiting tourists

The fact that black grouse have survived mainly in sandy heathlands does not necessarily mean that these are optimal habitats in the central european cultural landscape. Available data suggest that colonisation density in degenerated raised bogs was considerably higher until the onset of industrial peat excavation after 1900, indeed as late as the 1950/60. It may not be excluded that certain anthropogenically induced factors had less severe effects in the "Lüneburger Heide” sandy heathlands than anywhere else outside this area. In the remaining habitats of black grouse in Lower Saxony populations have been more or less stable, albeit heavily fluctuating, showing even a slightly upward trend. Compared with sub-recent numbers of colonisation density it may be concluded that population density was at no time considerably higher than it is today during ‘good years’. Hence a considerable increase of the black grouses populations is only conceivable if more habitats are made suitable, thus increasing the total area available for colonisation.

Attempts at a lasting reduction of predators are unlikely to succeed, given the need to do so intensively over an as yet uncalculable period of time. As the sandy heaths of the "Lüneburger Heide” are not exactly rich in predator species, there are doubts as to whether manipulations of territorial as well as social structures of these species will have a beneficiary effect on the populations of black grouse. Consequently, a recovery programme should not pursue such an approach. Release of black grouse into the wild has established by experience that further attempts of this kind should be abstained from, especially in the nearer vicinity of still existing autochthonous populations. Nonetheless the development of landscapes in central- and western Lower Saxony, characterized by raised bogs and mires, should be continually kept under close surveillance for evolving suitable habitats. Should new suitable large-scale habitats indeed be found to evolve, if too distant to be colonized by way of natural dispersion, suitable methods of reintroduction should be reviewed depending on the particular case.

In order to implement protective measures according to the EC Birds Directive, ensuring survival and reproduction of the black grouse within its range, existing sites have to be conserved in as best a state as is possible by employing biotope development schemes. Necessarily, considerations have to go beyond currently colonized areas. Findings on persistent dysmigratory behavior in local populations of black grouse seem to justify the assumption that creation or enhancement of existing potentially suited habitats within manageable distances is the most promising approach to stabilizing Lower Saxony’s populations of black grouse.

Available administrative instruments and programmes on promotion of regional development should be employed to the best of their abilities in supporting species protection. Current genetic analyses of the black grouse’s populations in the Netherlands seem to warrant that black grouse of the central european lowlands not only present a different ecotype but a subspecies different from scandinavian and alpine populations.

Should this assumption be corroborated, a new assessment on the european conservation status of these populations would be called for.
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