Für Kiebitz und Rotschenkel: Das „Wiesenzeiten-Projekt“
Artenreiche Wiesen – Naturschutz und Landwirtschaft arbeiten eng zusammen// Presseinformation vom 14. September 2017
Niedersachsen ist das wichtigste „Wiesenvogelland“ Deutschlands und trägt daher bundesweit eine besondere Verantwortung für den Schutz vieler hochgradig bedrohter Vogelarten des Grünlandes. „Mit dem in diesem Jahr gestarteten Kooperationsprojekt „Wiesenzeiten“ engagieren sich Naturschützer und Bewirtschafter gemeinsam für den Erhalt und die Entwicklung artenreicher Wiesen und Weiden“, betont Danny Wolff vom NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz). Unter Federführung des NLWKN in Lüneburg wurde in Zusammenarbeit mit dem Domänenamt Stade, den unteren Naturschutzbehörden der Landkreise Celle, Cuxhaven, Heidekreis, Osterholz, Uelzen und Verden, dem NABU Land Hadeln sowie mehr als 70 Landwirten in mehreren wichtigen Grünland-Schutzgebieten mit der sogenannten „flexiblen Steuerung der Grünlandbewirtschaftung“ eine neue Form der Zusammenarbeit auf Naturschutzflächen eingeführt. Das Projekt läuft bis zum Jahr 2022 und wird von der EU und dem Land Niedersachsen mit 364.000 Euro gefördert.
Die Projektflächen gehören entweder dem Land Niedersachsen oder den jeweils zuständigen Landkreisen; in einem Fall ist der NABU Land Hadeln Besitzer der Ländereien, die insgesamt 1.600 Hektar umfassen. Sie liegen in folgenden Schutzgebieten:
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Harriersand im Vogelschutzgebiet „Unterweser“ (Landkreis Osterholz);
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FFH- und Vogelschutzgebiet „Allerniederung“ (Landkreise Celle, Heidekreis, Verden);
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Naturschutzgebiet „Allerdreckwiesen“ (Landkreis Celle);
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Natur- und Vogelschutzgebiet „Schweimker Moor / Lüderbruch“ (Landkreis Uelzen);
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Naturschutz- und FFH-Gebiet „Schnook, Außendeichsflächen bei Geversdorf“ (Landkreise Cuxhaven und Stade).
Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass während der Brutzeit im Frühling und Frühsommer zunehmend extreme Witterungsbedingungen vorherrschen, etwa ausgedehnte mehrwöchige Trocken- oder Warmphasen oder zumindest regional längere Perioden mit außergewöhnlich hohen Niederschlägen wie im laufenden Jahr. Dies wirkt sich auch auf die zeitlich und räumlich wechselnde Besiedlung durch Wiesenbrüter und einen unterschiedlich starken Pflanzenwuchs aus. „Auf diese veränderten Klimaphänomene müssen wir flexibler beim Grünlandmanagement reagieren“, erklärt Wolff die Intention des Projekts. „Denn eine optimale Pflegebewirtschaftung richtet sich nach der Natur und nicht nach festen Stichtagen im Kalender“.
In den vom NLWKN mit eigenen Außenstellen betreuten Schutzgebieten wie im Bereich der Naturschutzstation Unterelbe, der mittleren Wümmeniederung oder der Landgraben-Dummeniederung im Wendland wird die flexible Steuerung der Grünlandbewirtschaftung zum Teil schon seit Jahren mit Erfolg umgesetzt. In diesen Gebieten wird die qualifizierte Vor-Ort-Betreuung der Naturschutzflächen und Kooperation mit den Bewirtschaftern durch Biologen des NLWKN übernommen. Dieses Handlungsprinzip wird jetzt in angepasster Form im Wiesenzeiten-Projekt durch Unterstützung von Gutachterbüros auf weitere Gebiete übertragen.
Die Idee dabei ist, auf der Grundlage aktueller vogelkundlicher Erfassungen z.B. frühere oder spätere Mahd- und Beweidungstermine sowie angepasste Weidetierdichten und erforderliche Pflegearbeiten zu ermöglichen als in den jeweiligen Naturschutz-Pachtverträgen vereinbart. Ist eine Parzelle etwa nicht von Wiesenbrütern besiedelt oder ist das Brutgeschäft bereits abgeschlossen, kann es sinnvoll sein, sie zwecks besserer Aushagerung je nach Standort und Bodenart schon Ende Mai, Anfang Juni oder Mitte Juni mähen zu lassen. Konkurrenzschwache, oft gefährdete Pflanzenarten gedeihen so besser und von der meist besseren Futterqualität eines früheren Grasschnittes profitieren auch die Landwirte. Auf der anderen Seite erfordern spät brütende Arten wie der Wachtelkönig eine besondere Rücksichtnahme durch späten Schnitt erst im August.
Auf den domänenfiskalischen Flächen des Harriersandes an der Unterweser, für die anders als bei den Naturschutzflächen nur auf kleineren Teilflächen spezielle Bewirtschaftungsvorgaben gelten, ermöglichen die Untersuchungen einen gezielten Schutz der Gelege und Küken. Die Bewirtschafter verzichten dann z.B. im Umfeld aufgefundener Gelege freiwillig auf eine frühe Mahd und erhalten dafür vom zuständigen Domänenamt Stade einen Pachtnachlass. Wolff: „Gerade das Beispiel des Harriersandes zeigt, dass durch entsprechende Anstrengungen in relativ kurzer Zeit wieder gute Erfolge erreicht werden können. Waren die Wiesenbrüter-Populationen dort bis zum Jahr 2013 fast vollständig zusammengebrochen, zeichnet sich insbesondere beim Kiebitz mit mittlerweile 15 Brutpaaren wieder eine leichte Erholung ab. Arten, die vollständig verschwunden waren wie der Rotschenkel, sind zumindest in wenigen Brutpaaren zurückgekehrt“.
Die diesjährigen Kartierungen hätten dennoch gezeigt, dass in vielen Gebieten wegen rückläufiger Bestandszahlen wertbestimmender Wiesenbrüterarten ein großer Handlungsbedarf bestehe, sagt Wolff: „Zwar weisen verschiedene gefährdete Singvögel des Grünlandes in den untersuchten Gebieten teilweise noch vergleichsweise stabile Populationen auf; dazu gehören etwa die Feldlerche oder der Wiesenpieper. Anspruchsvollere, auf extensive Grünlandbewirtschaftung mit feuchten Standorten angewiesene Arten kommen aber meist nur noch in kleinen Restpopulationen vor. Sorgen bereiten den Artenschützern hierbei Kiebitz, Rotschenkel und auch das Braunkehlen, das in diesem Jahr nur in zwei der fünf Projektgebiete nachgewiesen werden konnte.
Neben dem flexiblen Grünlandmanagement sind daher weitere besondere Schutzanstrengungen erforderlich. Zur Verringerung hoher Gelegeverluste durch den Fuchs und andere Prädatoren, zum Beispiel auf dem Harriersand, sind spezielle Managementkonzepte erforderlich. In einigen Gebieten sind außerdem Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserhaushaltes vorgesehen oder befinden sich wie im „Schnook“ bereits in der Umsetzung.
Im Rahmen des Kooperationsprojektes „Wiesenzeiten“ tauschen sich die regionalen Gebietsbetreuer des NLWKN und die anderen Naturschutzpartner mit den Landwirten über wichtige Aspekte der Flächenbewirtschaftung aus. Gemeinsame Begehungen der Projektflächen tragen auch zum besseren Verständnis der jeweiligen Belange und Interessen bei und helfen, besonders effiziente und zielgerichtete Lösungen zu entwickeln.“
Daten zu den einzelnen Projektgebieten:
Projektgebiet |
Allerdreckwiesen |
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Landkreise |
Celle |
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Schutzgebietsstatus |
Naturschutzgebiet |
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Projektflächen gesamt |
267 Hektar |
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davon im Eigentum |
ca. 183 Hektar |
Land Niedersachsen (Naturschutzverwaltung) |
|
ca. 84 Hektar |
Landkreis Celle (Naturschutzbehörde) |
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Anzahl Bewirtschafter |
25 |
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wichtigste Grünland-Vogelarten im Gebiet in 2017 |
Art |
Paare mit Brutnachweis / -verdacht |
|
Feldlerche |
37 |
||
Feldschwirl |
8 |
||
Kranich |
1 |
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Neuntöter |
3 |
||
Rohrammer |
4 |
||
Schwarzkehlchen |
14 |
||
Sumpfrohrsänger |
9 |
||
Wachtel |
2 |
||
Wiesenpieper |
20 |
||
Wiesenschafstelze |
3 |
Projektgebiet |
Allerniederung |
||
Landkreise |
Celle, Heidekreis, Verden |
||
Schutzgebietsstatus |
FFH-Gebiet, tlw. Vogel- und Naturschutzgebiet |
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Projektflächen gesamt |
466 Hektar |
||
davon im Eigentum |
ca. 366 Hektar |
Land Niedersachsen (Naturschutzverwaltung) |
|
ca. 100 Hektar |
Landkreis Heidekreis (Naturschutzbehörde) |
||
Anzahl Bewirtschafter |
30 |
||
wichtigste Grünland-Vogelarten im Gebiet in 2017 |
Art |
Paare mit Brutnachweis / -verdacht |
|
Schwarzkehlchen |
10 |
||
Braunkehlchen |
10 |
||
Feldlerche |
3 |
||
Wachtel |
3 |
||
Kiebitz, Rebhuhn |
jeweils 1 |
Projektgebiet |
Harriersand |
||
Landkreis |
Osterholz |
||
Schutzgebietsstatus |
EU-Vogelschutzgebiet |
||
Projektflächen gesamt |
684 Hektar |
||
davon im Eigentum |
684 Hektar |
Land Niedersachsen (Domänenverwaltung) |
|
Anzahl Bewirtschafter |
12 |
||
wichtigste Grünland-Vogelarten im Gebiet in 2017 |
Art |
Paare mit Brutnachweis / -verdacht |
|
Wiesenschafstelze |
24 |
||
Kiebitz |
15 |
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Rotschenkel |
4 |
||
Feldlerche |
4 |
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Austernfischer |
1 |
||
Bemerkungen |
Auf Flächen von 4 Pächtern wurden Maßnahmen des Gelege- und Kükenschutzes durchgeführt. Auf dem benachbarten Hamelwardersand werden in Kooperation zwischen dem Domänenamt Stade, dem Landkreis Osterholz und der Biologischen Station Osterholz ergänzende avifaunistische Untersuchungen und Artenhilfsmaßnahmen durchgeführt. |
Projektgebiet |
Schnook, Außendeichsflächen bei Geversdorf |
||
Landkreise |
Cuxhaven und Stade |
||
Schutzgebietsstatus |
Naturschutzgebiet, tlw. FFH-Gebiet |
||
Projektflächen gesamt |
95 Hektar |
||
davon im Eigentum |
ca. 80 Hektar |
Land Niedersachsen (Naturschutzverwaltung) |
|
ca. 15 Hektar |
NABU Land Hadeln e.V. |
||
Anzahl Bewirtschafter |
4 |
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wichtigste Grünland-Vogelarten im Gebiet in 2017 |
Art |
Paare mit Brutnachweis / -verdacht |
|
Feldlerche |
45 |
||
Wiesenpieper |
9 |
||
Kiebitz |
5 |
||
Rotschenkel |
1 |
||
Schnatterente |
1 |
||
Bemerkungen |
Auf den Landesflächen werden im August und September 2017 ergänzende erd- und wasserbauliche Maßnahmen zur Optimierung des Wasserhaushaltes und zur Verbesserung der Biotopstrukturen durchgeführt. Der dabei anfallende Klei-Boden wird teilweise vom Oste-Deichverband sowie vom Deichverband Kehdingen-Oste übernommen. |
Projektgebiet |
Schweimker Moor und Lüderbruch |
||
Landkreis |
Uelzen |
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Schutzgebietsstatus |
Naturschutzgebiet, EU-Vogelschutzgebiet |
||
Projektflächen gesamt |
130 Hektar |
||
davon im Eigentum |
ca. 81 Hektar |
Land Niedersachsen (Naturschutzverwaltung) |
|
ca. 26 Hektar |
Landkreis Uelzen (Naturschutzbehörde) |
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ca. 2 Hektar |
Land Niedersachsen (Domänenverwaltung) |
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ca. 21 Hektar |
Privateigentum |
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Anzahl Bewirtschafter |
3 |
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wichtigste Grünland-Vogelarten im Gebiet in 2017 |
Art |
Paare mit Brutnachweis / -verdacht |
|
Wiesenpieper |
9 |
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Feldlerche |
5 |
||
Neuntöter |
5 |
||
Schwarzkehlchen |
3 |
||
Kiebitz |
2 |
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Bemerkungen |
Das Grünland hat außerdem eine hohe Bedeutung als Nahrungsfläche für 3 bis 4 Kranichbrutpaare mit ihren Jungen. Auf ausgewählten Projektflächen sollen noch im Jahr 2017 bodenkundliche Untersuchungen durchgeführt werden, um evtl.Nährstoffdefizite festzustellen. Die Ergebnisse sollen bei der weiteren Bewirtschaftung berücksichtigt werden. |
Artikel-Informationen
erstellt am:
15.09.2017