Hochwasservorhersage und vorsorgender Hochwasserschutz in Zeiten der Klimakrise
Gewässerforum in Hannover rückt die Vorsorge für Extremereignisse in den Fokus
Hildesheim/Hannover. Zu viel auf einmal oder zu lange zu wenig – angesichts von Extremereignissen wie dem Hochwasser 2017 im südlichen Niedersachsen und mehreren Trockensommern in Folge sind sich Expertinnen und Experten einig: Die Klimakrise ist mit ihren Folgen schon längst in Niedersachsen angekommen. Umso mehr brauche es zukunftsfähige Anpassungsmaßnahmen und dazu als Grundlage eine vorausschauende Hochwasserwasservorhersage, betonte jetzt Niedersachsens Umwelt- und Klimaschutzminister Christian Meyer auf dem Niedersächsischen Gewässerforum. Die Fachveranstaltung des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) brachte in diesem Jahr in Hannover rund 170 Expertinnen und Experten des Landes, der Kreise und Kommunen zusammen.
„Starkregenereignisse, Meeresspiegelanstieg, Trockenheit: Durch den Klimawandel müssen wir auch in Zukunft mit noch mehr Extremen in der Wasserwirtschaft rechnen. Die Folgen der Klimakrise stellen uns alle vor große Herausforderungen, das Land genauso wie vor allem die Städte und Gemeinden. Insbesondere der Hochwasserschutz und die Starkregenvorsorge, in den Küstenregionen der Küstenschutz und die Binnenentwässerung, aber auch ein nachhaltiger Umgang mit der Ressource Wasser sind wichtige Zukunftsaufgaben, denen wir uns in Niedersachsen stellen müssen und werden“, so Minister Meyer. „Und klar ist auch: Je besser wir beim Klimaschutz sind, desto eher können wir die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise mindern. Denn wir müssen uns an die Folgen des menschengemachten Klimawandels anpassen und dafür sehr viel Geld in die Hand nehmen. Klimaschutz ist daher auch Katastrophenschutz.“
Bei der Veranstaltung am Donnerstag (20.04.) in der Akademie des Sports in Hannover stand dabei vor allem der Fall des „zu viel“ Wassers im Fokus: Hochwasserereignisse und die Möglichkeiten der Vorhersage und Warnung vor diesen sowie die Gefahrenabwehr vor Ort in den Kommunen. Dabei wagten die rund 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch den Blick über den niedersächsischen Tellerrand hinaus: Im Rahmen von Vorträgen rückte neben den Themen Hochwasservorhersage und Klimawandel etwa auch das katastrophale Hochwasserereignis im Sommer 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen in den Blick.
„Damit Hochwasser, die in Höhe und Intensität künftig zunehmen werden, nicht zu derart verheerenden Konsequenzen führen, wie wir sie aus dem Ahrtal kennen, müssen wir alle Handlungsoptionen bei der Hochwasservorsorge ausschöpfen. Wir müssen zudem prüfen, wie wir die Folgen des Klimawandels geeignet in der Hochwasservorsorge berücksichtigen und geeignete Handlungsoptionen ableiten“, so NLWKN-Direktorin Anne Rickmeyer. „Andere wichtige Bausteine sind eine verlässliche Hochwasservorhersage, eine rechtzeitige Information und eingeleitete Warnung sowie die Berücksichtigung der Informationen in Alarm- und Einsatzplänen und bei der Gefahrenabwehr vor Ort“, ergänzte Markus Anhalt, Geschäftsbereichsleiter beim NLWKN der Betriebsstelle Hannover-Hildesheim.
Beim Landesbetrieb wurde bereits 2009 mit der Einrichtung der Hochwasservorhersagezentrale (HWVZ) ein wichtiger Schritt hin zu einer verbesserten Informationslage etwa für Einsatzkräfte und Entscheider vor Ort unternommen. Die Zentrale in Hildesheim befindet sich mittlerweile seit über zehn Jahren im operativen Betrieb. „Niedersachsen hat in dieser Zeit viel in die Entwicklung der Hochwasservorhersage investiert und ist heute mit der HWVZ gut aufgestellt. Die für die Vorhersagen verwendeten komplexen Rechenmodelle und Datengrundlagen – vor allem Pegelstände, Abflüsse, Niederschlag, Temperatur, Wetterprognosen und Radardaten – werden kontinuierlich optimiert und weiterentwickelt sowie an aktuelle Gegebenheiten angepasst, um auch weiterhin verlässliche Vorhersagen bereitstellen zu können“, betonte in ihrem Vortrag die Leiterin der HWVZ, Marlena Heunecke.
Hochwasservorhersage um zusätzliche Gebiete erweitert
Ein weiterer Schritt im Rahmen der kontinuierlichen Erweiterung des Angebots der HWVZ konnte noch auf dem Gewässerforum verkündet werden: Mit der Bundeswasserstraße Ober- und Mittelweser wird in Kürze ein zusätzlicher großer Flusslauf mit in die operationelle Vorhersage der Hochwasservorhersagezentrale aufgenommen. Mit dem Gewässerforum startet hier der Testbetrieb der Hochwasservorhersage, nachdem bereits im vergangenen Jahr entsprechende Vereinbarungen zwischen den beteiligten Bundesländern Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bremen sowie dem Bund getroffen werden konnten, heißt es beim NLWKN. „Im Rahmen der Hochwasservorsorge kann damit auch in diesen Regionen durch die Hochwasservorhersage vom Land ein wesentlicher Beitrag zum regionalen Hochwasserrisikomanagement geleistet werden“, kommentierte den Schritt Direktorin Rickmeyer.
Ergänzend zur Aufnahme neuer Vorhersagegebiete wurden in den letzten Jahren vor allem die Möglichkeiten zur Information und Warnung deutlich verbessert. Neben dem Ausbau des Informationsangebots im Internet über das Landeshochwasserportal und das Pegelportal des NLWKN werden die Informationen der Hochwasservorhersage und Warnungen dabei inzwischen auch über verschiedene Warn-Apps wie NINA und KatWarn, aber auch die Hochwasser-App Meine Pegel ausgespielt. Betroffene können sich hier teils individuell einstellbare Warnungen zum Beispiel für bestimmte Pegel und Grenzwerte als Push-Nachricht direkt auf das eigene Smartphone senden lassen. „Die zentrale Bedeutung einer rechtzeitigen Warnung vor Gefahr haben die jüngsten katastrophalen Hochwasserereignisse belegt“, unterstrich Anhalt.
Damit aus dem Wissen über ein drohendes Hochwasser auch koordiniertes und zielgerichtetes Handeln vor Ort entstehen kann, nahmen die Teilnehmenden des Gewässerforums in Hannover zudem die Verwendung der Vorhersagen und Einleitung von Maßnahmen in den Blick: „Im Notfall müssen alle Zahnräder der verschiedenen Ebenen ineinandergreifen – dazu braucht es gut abgestimmte Prozesse“, so Umwelt- und Klimaschutzminister Meyer. Entsprechend stand bei der Fachveranstaltung die komplette Warn- und Handlungskette unter der Lupe – vom Erfassen über die Vorhersage, die Meldung bis hin zur Warnung und Information – als Grundlage für das notwendige Handeln vor Ort. Die Gefahrenabwehr vor Ort muss auf der Basis aktueller Alarm- und Einsatzpläne erfolgen. Meyer: „Hier sind alle Akteure gleichermaßen gefordert – der Bund, die Länder und die Kommunen. Das Land wird durch eine verlässliche und vorausschauende Hochwasservorhersage in Zeiten der Klimakrise auch künftig als starker und zuverlässiger Partner der Kommunen agieren.“
Artikel-Informationen
erstellt am:
20.04.2023
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