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erstellt am:
02.10.2024
Stade. Sieben Sperrwerke schützen die Einwohner des Landkreises Stade und der Region zuverlässig vor den Kräften der Nordsee. Ihre glorreiche Zeit haben die allesamt in den 60er und 70er Jahren errichteten Küstenschutzbauwerke allerdings inzwischen hinter sich. In Stade stellte der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) am Dienstag (01.10.) die Ergebnisse nach einer umfassenden Überprüfung der Bauwerke vor – und einen Fahrplan, wie die wichtigen Massivbauwerke in der Deichlinie für kommende Herausforderungen ertüchtigt werden müssen, um auch künftig zuverlässigen Schutz zu bieten.
Die gute Botschaft nahm NLWKN-Projektleiter Andreas Kosch dabei direkt vorweg: „Alle überprüften Bauwerke können den zuletzt 2021 noch einmal deutlich erhöhten Bemessungswasserstand und damit die aktuellen Herausforderungen durch Sturmfluten trotz ihres Alters statisch auch weiterhin sicher bewältigen“, so Kosch. Allerdings: Rechnet man die künftigen Herausforderungen durch den Klimawandel hinzu, die im Küstenschutz in Niedersachsen heute bereits in Form eines Vorsorgemaßes von einem Meter für den prognostizierten Meeresspiegelanstieg in den kommenden 100 Jahren bei Planungen mit berücksichtigt werden, kehrt sich das Bild ins Gegenteil. „Klar ist – und das zeigen die aktuellen Ergebnisse der Überprüfung der Sperrwerke sehr deutlich: Es sind in den kommenden 35 Jahren massive finanzielle Investitionen von mehreren hundert Millionen Euro und auch personelle Anstrengungen erforderlich, um die sieben Sperrwerke zwischen Oste und Lühe in einen zukunftsfähigen Zustand zu versetzen. Das hatten wir angesichts des Alters der Anlagen auch so erwartet“, so Andreas Kosch.
Umweltminister Christian Meyer betonte die Dringlichkeit: „Angesichts der Klimaerhitzung und des Meeresspiegelanstiegs ist es besonders wichtig, den Küstenschutz zu verbessern, um die Menschen hinter dem Deich und ihr Hab und Gut zu schützen. Die Mittel des Bundes für den Küstenschutz müssen daher dauerhaft gesteigert werden. Niedersachsen hat seinen Anteil am Küstenschutz ebenfalls erhöht. Zur beschleunigten Umsetzung gehört auch mehr Personal und Ausstattung beim NLWKN. Dies war meine Priorität bei den Haushaltsberatungen und ich bin froh, dass so 2024 beim NLWKN 200 Dauerarbeitsplätze geschaffen werden konnten. Mit dem Haushaltsplan 2025 und der mittelfristigen Finanzplanung stehen weitere Stellen für den Hochwasser- und Küstenschutz, sowie für die notwendige Flächenbeschaffung bereit.“
Ambitionierter Zeitplan – 35 Jahre für sieben Projekte
Im Rahmen der Untersuchungen wurde auf Basis eines objektiven Kriterienkatalogs auch eine Priorisierung der erforderlichen Ertüchtigungsmaßnahmen vorgenommen. Den dringendsten Handlungsbedarf sehen die externen Gutachter und die Küstenschutzexperten des NLWKN vor allem beim Siel Wischhafen, beim Sperrwerk Ruthenstrom und dem Lühesperrwerk. Beim Siel Wischhafen, dem Bauwerk mit dem höchsten Handlungsdruck, sollen zunächst vorgezogene konstruktive Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden, die das Bauwerk fit für die nächsten Jahrzehnte machen. Zudem wurde 2024 bereits mit den Planungen für das Sperrwerk Ruthenstrom (Priorität 1) und das Lühesperrwerk (Priorität 2) begonnen, um das Ziel einer Umsetzung aller Projekte bis 2060 gewährleisten zu können. Mit Blick auf das Sperrwerk Ruthenstrom und das Sperrwerk Abbenfleth sprechen sich die Gutachter zudem für einen kompletten Neubau aus. Bei den übrigen Bauwerken wird es sich erst im Zuge der weiteren Planung entscheiden, ob ein Ersatzneubau oder eine Ertüchtigung des Bestandsbauwerks die beste Lösung darstellt. Einen Ersatzneubau hatte der NLWKN 2022 in Otterndorf fertigstellt: die neue Hadelner Kanalschleuse als Multifunktionsbauwerk. Die Ertüchtigung eines bestehenden Sperrwerks setzt der NLWKN derzeit im Winsener Ortsteil Hoopte um: das Ilmenausperrwerk.
Angesichts des ambitionierten Fahrplans sieht NLWKN-Betriebsstellenleiter Peter Schley erheblichen Mittel- und Personalbedarf: „Das vorhandene Personal etwa im Geschäftsbereich Betrieb und Unterhaltung ist mit dem Betrieb und der Instandhaltung der Anlagen bereits mehr als ausgelastet, zumal aufgrund des Alterungsprozesses der Anlagen der erforderliche Aufwand weiter zunehmen wird. Und auch im Bereich Planung und Bau sind wir heute nicht so breit aufgestellt, dass wir die erforderlichen Großprojekte parallel stemmen können“. Für diese Aufgabe baut der NLWKN deshalb derzeit am Standort Stade ein zweites Ingenieur-Team auf. Die neuen Küstenschützerinnen und Küstenschützer werden dabei von den erfahrenen NLWKN-Experten geleitet und eingearbeitet, die erfolgreich den Ersatzneubau der Hadelner Kanalschleuse realisiert haben.
Bis auf das Ostesperrwerk, das sich im Eigentum des Bundes befindet, werden die betroffenen Sperrwerke allesamt vom NLWKN für das Land Niedersachsen betrieben und unterhalten.