Zweite Chance für Uferschnepfen
Außergewöhnliches Verhalten: Uferschnepfe „Zola“ brütet in einer Saison in zwei niedersächsischen Schutzgebieten
Um das Verhalten geschützter Wiesenvögel genauer zu erforschen, versahen Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) auch 2021 wieder zahlreiche Uferschnepfen in den EU-Vogelschutzgebieten am Dümmer und der Unterelbe mit Mini-Satellitensendern. Erstmals konnten die Forscher beobachten, dass ein Uferschnepfenweibchen in einer Saison in zwei unterschiedlichen Schutzgebieten Nachwuchs bekam. „Das ist ein echtes Phänomen!“, erläutert Heinrich Belting, im NLWKN verantwortlich für das LIFE IP Projekt „GrassBirdHabitats“, dem EU-Nachfolgeprojekt des LIFE+ Projekts „Wiesenvögel“. „Für uns ist es das erste Mal, dass wir das beobachten. Das spricht für ein ökologisch intaktes Brutgebiet.“
Anfang Mai wurde ein brütendes Weibchen, das die Mitarbeiter „Zola“ nannten, im Osterfeiner Moor am Dümmer mit einem der sechs Gramm leichten GPS-Sender ausgestattet. Am Tag nach der Besenderung schlüpfte „Zolas“ Gelege. Vermutlich durch die kalte und nasse Witterung oder auch durch die Erbeutung der Küken durch Beutegreifer starb der Nachwuchs kurz nach dem Schlupf.
In Folge verschwand das Schnepfenweibchen aus dem Brutgebiet. Die Forscher fanden den Vogel mit dem Mini-Sender im Naturschutzgebiet „Bleckriede“ wieder. Die Bleckriede ist Bestandteil des EU-Vogelschutzgebiets „Diepholzer Moorniederung“ und liegt rund 25 Kilometer östlich des Osterfeiner Moors. Mitte Juni zeigte „Zola“ Warnverhalten, ein deutliches Zeichen dafür, dass der Vogel Junge hat. Anfang Juli beobachteten Forscher „Zola“ mit zwei fast flüggen Jungvögeln. Insgesamt blieb die Uferschnepfe rund zwei Monate in dem Gebiet und wurde dabei mehrmals gesehen.
Für die Forscher ist „Zolas“ Verhalten außergewöhnlich: Sie begann nach dem Verlust des Nachwuchses am Dümmer eine zweite Brut in einem anderen Schutzgebiet und schloss diese erfolgreich ab. Nur in ökologisch intakten Gebieten brüten Uferschnepfen zweimal innerhalb derselben Saison. Solch eine Wanderung über GPS-Ortungen erstmals nachvollziehen zu können, unterstreicht die Bedeutung wiesenvogelfreundlicher Schutzgebiete in Niedersachsen. Werden diese gut miteinander vernetzt, bieten sie den seltenen Vögeln Ausweichmöglichkeiten.
Uferschnepfen bilden eine saisonale Monogamie, bleiben ihrem Partner also eine Brutsaison lang treu. Ob „Zola“ ihr Männchen vom Dümmer mitnahm oder ob sie sich in der Bleckriede einen neuen Partner suchte, ist unbekannt.
Insgesamt hat der NLWKN im Rahmen des LIFE IP Projekts „GrassBirdHabitats“, 20 Altvögel und zwölf Jungvögel am Dümmer und an der Unterelbe besendert. Im Rahmen des Vorgängerprojekts „Wiesenvögel“ wurden von 2018-2020 insgesamt 41 Uferschnepfen für die Ortung ausgerüstet.
Mehr zum LIFE IP Projekt „GrassBirdHabitats“ (LIFE19 IPE/DE/000004)
Der Schutz von Wiesenvögeln wie Uferschnepfe, Kiebitz und Brachvogel und deren Lebensräumen stehen im Fokus des von der Europäischen Union im Rahmen des LIFE-Programms geförderten Projekts. Ziel ist es, optimale Brutgebiete zu schaffen und zu verbinden. Hierfür gilt es, die Flächennutzung zu extensivieren und die Wasserstände zu optimieren. Um die Aktivitäten künftig stärker zu vernetzen und Maßnahmen für erfolgreichen Wiesenvogelschutz abzustimmen, wird ein strategisches Schutzkonzept für Wiesenvogellebensräume in Westeuropa entwickelt. In 27 Projektgebieten in Niedersachsen werden wiesenvogelfreundliche Maßnahmen umgesetzt.
Das Gesamtbudget des über zehn Jahre laufenden Projekts beträgt rund 27 Millionen Euro, darin 12 Millionen Anteil des Landes Niedersachsen. Das Niedersächsische Umweltministerium als Projektträger hat die Staatliche Vogelschutzwarte im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) mit der Umsetzung des Projekts beauftragt. Partner in Niedersachsen sind die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer und das Büro BioConsultOS. Projektpartner in den Niederlanden sind die Provinz Friesland, die Universität Groningen sowie die landwirtschaftliche Kooperative Collectief Súdwestkust (SWK) und der Naturschutzverband BondFrieseVogelWachten (BFVW).
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erstellt am:
11.10.2021