Marschengewässer - Morphologische Maßnahmen
Im Rahmen der Bearbeitung des Pilotprojektes Marschengewässer wurden mögliche Maßnahmen beschrieben (Planula & BWS GmbH 2006) , die zur Reduzierung oder Behebung der Defizite und Belastungen beitragen. Sie beziehen sich im Wesentlichen auf die festgestellten Defizite Strukturarmut, Wasserstandsschwankungen, Belastungen mit Nährstoffen und ökologische Durchgängigkeit.
Im Rahmen des Pilotprojektes (Phase II) wurden zudem für einzelne Gewässer regionale Maßnahmenpläne erstellt: so für den Hackemühlenbach & das Basbecker Schleusenfleth, für das Wischhafener Schleusenfleth, das Käseburger Sieltief und die Harle.
Weiterhin erfolgte im Auftrag der Gebietskooperation 29 Aue/Lühe-Schwinge eine Machbarkeitsstudie zur Untersuchung und Umsetzung von Maßnahmen im Alten Land (Obstanbaugebiet) entsprechend der EG-WRRL in Anlehnung an das Pilotprojekt Marschengewässer (BWS GmbH & Planula 2008) . Das Fazit der Projektbearbeiter zeigt, dass sich auch in intensiv genutzten Obstanbaugebieten Möglichkeiten zur Durchführung von Maßnahmen im Sinne der EG-WRRL bieten, die ohne erhebliche Beeinträchtigungen der derzeitigen Nutzungen umgesetzt werden können. Aufgrund von Synergieeffekten können sogar Verbesserungen z.B. für die Belange der Frostschutzberegnung erreicht werden. Grundsätzlich können die vorgeschlagenen Maßnahmen dazu beitragen, das gute ökologische Potenzial zu erreichen. Wesentlich sind dabei vor allem Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen gewässermorphologischen Strukturen an bereits bestehenden Gewässern bzw. im Rahmen der Neuanlage von Gewässern sowie Maßnahmen zur Wiederherstellung bzw. zum Erhalt der Durchgängigkeit.
Bei Marschengewässern liegen bisher nur wenige Erfahrungen zu den mittel- und langfristigen Wirkungen von Renaturierungen vor. In Niedersachsen wurden 2020/2021 insgesamt 15 unterschiedlich alte Maßnahmen an nicht tideoffenen Marschengewässern einer ökologischen Effizienzkontrolle unterzogen (Ökologiebüros Kuhn & Life 2022).
Hierbei zeigte sich, dass durch morphologische Maßnahmen eine Verbesserung erreicht werden kann. Diese beschränken sich aber ggf. nur auf eine Qualitätskomponente (untersucht wurden Makrophyten und das Makrozoobenthos).
So wurden von den untersuchten Maßnahmen bei den Makrophyten insgesamt neun und beim Makrozoobenthos (MZB) fünf Maßnahmenstrecken besser als die jeweilige Referenzstrecke bewertet. Während bei Gewässeraufweitungen mit Uferabflachungen nur wenige Verbesserungen hinsichtlich der submersen Vegetation beobachtet wurden, können sie dagegen für das Makrozoobenthos einen größeren Mehrwert darstellen, da sie mit den z.T. großen, fast vegetationsfreien Flachwasserbereichen z.B. einen Lebensraum für Großmuscheln (und Fische) bieten. Dies gilt auch für große durchströmte Seitengewässer. Von den kleineren ein- und beidseitig angeschlossenen Seitengewässern mit dichtem Bewuchs an submerser Vegetation profitieren vor allem phytophile Arten.
Daraus folgt, dass in den nicht tideoffenen Marschengewässern im Idealfall eine Kombination verschiedenster Maßnahmen mit Gewässeraufweitungen und Uferabflachungen, größeren durchströmten und periodisch angeschlossenen kleineren pflanzenreichen Seitengewässern, die die Vielfalt einer natürlichen Aue widerspiegeln, an jedem einzelnen Wasserkörper am erfolgversprechendsten ist.
Zudem verändern sich die Maßnahmenstrecken durch Sedimentation, Hochwasserereignisse und zunehmenden Gehölzbewuchs mehr oder weniger schnell. Besonders Seitengewässer unterliegen einer deutlichen Sukzession und in späteren Stadien, wenn sich z. B. Faulschlamm gebildet hat, bieten sie für Pflanzen und das Makrozoobenthos (und Fische) kaum noch Lebensraum. Diese Maßnahmen sorgen daher nur kurz- bis mittelfristig für eine Verbesserung und müssen in einem späten Sukzessionsstadium geräumt bzw. erneuert werden, wenn sie diese Funktion weiter erfüllen sollen. Bei einer Maßnahmenkombination könnten mehrere nicht zu kleine Seitengewässer verschiedenster Sukzessionsstadien gleichzeitig vorhanden sein, was wiederum die Strukturvielfalt erhöht. Derartige Maßnahmenkombinationen erfordern jedoch größere Flächen und sind kostenintensiv. Wenn Flächen und Mittel zur Verfügung stehen ist es daher empfehlenswert, statt einer großen Maßnahme zwei oder sogar drei kleinere Maßnahmen umzusetzen. Das Ziel sollte eine möglichst hohe Strukturvielfalt entsprechend einer natürlichen Aue sein.
Abgesehen von Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Durchgängigkeit ist bei lediglich einzeln umgesetzten, sehr kleinräumigen Renaturierungsmaßnahmen keine wesentliche Verbesserung des ökologischen Zustands/Potenzials im gesamten Wasserkörper zu erwarten. Eine Bündelung verschiedener Maßnahmen an einem Gewässer oder Gewässersystem ist zu empfehlen, da hierdurch eine Verstärkung der ökologischen Wirkung zu erwarten ist.
Nachstehende Maßnahmengruppen können – je nach Situation vor Ort – in Marschengewässern auftretende Defizite verringern. Genauere Hinweise finden sich für einzelne prioritäre Marschengewässer in den Handlungsempfehlungen, die für die einzelnen Bearbeitungsgebiete abrufbar sind:
- Untere Ems, Leda-Jümme, Wümme, Unterweser, Hunte, Ilmenau-Seeve-Este, Aue-Lühe-Schwinge, Hadeln, Oste
Wasserqualität
- Maßnahmen zur Reduktion von stofflichen und thermischen Belastungen aus Punktquellen (z.B. Neubau/Anpassung von Kläranlagen, Anschluss bisher nicht angeschlossener Gebiete an Kläranlagen, Behandlung/Rückhalt von Niederschlagswasser) - Ziel ist eine deutliche Verringerung der Nährstoff- und eine Verbesserung der Sauerstoffsituation.
- Maßnahmen zur Reduktion diffuser Nähr-/Schadstoff- und Feinsedimenteinträge (Ausweisung von Gewässerrandstreifen, Vernässung von Mooren und Feuchtgebieten, Extensivierung gewässernaher Nutzflächen, Umwandlung von Acker in Grünland) - Ziel ist eine deutliche Verringerung der Nährstoff- und Schwebstoffkonzentrationen.
Hydromorphologie
- Maßnahmen zur Erhöhung der Strukturvielfalt - Die Anlage von (periodisch angebundenen) Seitengewässern, Aufweitungen oder Flachwasserbereichen, die Verbesserung der Ufer- und Sohlenstrukturen z.B. durch Einrichten von Flachwasserbereichen, Anlage von Baumgruppen und Makrophytenpolstern, Einbringen von Baumstämmen und Totholz sowie eine extensive Gewässerunterhaltung kann zur Beseitigung von Strukturdefiziten beitragen. Bei tidebeeinflussten Gewässern kann die Wiederherstellung von Retentionsflächen durch den Rückbau/die Rückverlegung von Deichen eine sinnvolle Maßnahme sein, da hierbei u.a. weitläufige Röhrichte, Flusswatten und Flachwasserbereiche entstehen können.
- Extensivierung der Gewässerunterhaltung: Unter Berücksichtigung des „ordnungsgemäßen Abflusses“ sind Bereiche mit reduzierter Unterhaltung auszuweisen. Allgemein sollte das Entkrauten und Räumen der Gewässer schonend durchgeführt werden.
- Maßnahmen zur Verminderung von starken Wasserstandsschwankungen - Erarbeiten eines wasserwirtschaftlichen Konzepts zum Wasserstandsmanagement; z.B. Anlage von Retentionsflächen zur Vergleichmäßigung des Wasserstands. Ziel der Maßnahmen sollte die Verringerung der Ufererosion und die Begünstigung von Ufer- und Gewässervegetation sein. Geeignete Maßnahmen stellen eine optimierte Steuerung bei Sielzug / Zuwässerung, eine Anhebung der Winterwasserstände und die Sicherung von Mindestwasserständen durch Einbau von Grundschwellen dar. Zur Kompensation des verminderten Speicherraums kann die Anlage von Speicherpoldern oder von Nebengewässern eine sinnvolle Begleitmaßnahme sein. Bei tidebeeinflussten Gewässern kann der Einbau von Grundschwellen zur Dämpfung der Auswirkungen eines anthropogen stark erhöhten Tidehubs dienen.
- Maßnahmen zur Herstellen der ökologischen Durchgängigkeit - Bau von Umgehungsgerinnen, Rückbau von Stauanlagen, Bau von Fischaufstiegshilfen etc. Diese Maßnahmen sind vor dem Hintergrund der Fischartengemeinschaften, des Besiedlungspotenzials und der Gewässerstruktur des Einzugsgebietes, der Größe des Einzugsgebietes sowie vor dem Hintergrund weiterer möglicherweise vorhandener Querverbauungen und entstehender Synergien (z.B. mit der FFH-Schutzgebietskulisse) zu priorisieren. Ein Rückbau von Querbauwerken oder die Anlage einer Sohlgleite ist der Anlage einer zumeist störungsanfälligen Fischwanderhilfe (Umfluter, Fischpass) vorzuziehen. Die durch den zur Entwässerung erforderlichen Pumpenbetrieb ausgelöste Fischmortalität sollte bei Schöpfwerksrevisionen stets umfassend geprüft und in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten mit den jeweils aktuellsten technischen Möglichkeiten verringert werden.
Maßnahmen zu Verminderung einer anthropogen stark erhöhten Wassertrübung - Je nach Ursache kann eine Verringerung der Trübung z.B. durch Maßnahmen zur Reduktion von Windangriff mittels breitkroniger Einzelgehölze oder Gehölzgruppen oder Maßnahmen zur Verringerung der Ufererosion erreicht werden. Zu bevorzugen ist weiterhin die Entwicklung eines natürlichen Erosionsschutzes durch Röhrichte und ggf. Schwimmblattgürtel. Breite Röhrichtsäume im Überschwemmungsbereich können auch zur Verringerung der Schwebstofffracht und bei entsprechender Bewirtschaftung zur Verringerung der Nährstofffracht beitragen.
Folgende Maßnahmengruppen sind in Marschengewässern vor dem Hintergrund der Zielerreichung gemäß EG-WRRL besonders kritisch zu prüfen:
-
Entschlammung des Gewässers zur Wiederherstellung der Schiffbarkeit und der Entwässerungsfunktion. Es ergeben sich in der Regel keine positiven Effekte für die Lebensraumfunktionen des Gewässers. Eine Ausnahme kann die Entschlammung bei weit fortgeschrittener Verlandung eines Gewässers darstellen.
-
Technische Ufersicherung ohne positive Effekte auf die Uferlebensräume. Hier sind Alternativen zu prüfen, die zusätzlich zu einer Erhöhung der Strukturvielfalt beitragen und die Vernetzung von Wasser- und Uferlebensraum verbessern.
- Maßnahmen zur Laufverlängerung, Maßnahmen zur Förderung der eigendynamischen Entwicklung, Vitalisierungsmaßnahmen im vorhandenen Profil. Diese Maßnahmen haben in der Regel in nicht tideoffenen Marschengewässern aufgrund der allenfalls periodischen und zum Teil geringen Strömung keine positiven Effekte für die biologischen Qualitätskomponenten.
- Aufbau eines geschlossenen Gehölzsaumes. Ein geschlossener Gehölzsaum trägt zwar ebenfalls zur Reduktion des Windangriffs bei, führt bei Marschengewässer aber zu einem erheblichen Eintrag Sauerstoff zehrender Biomasse, ggf. bei gleichzeitiger Reduktion des physikalischen Sauerstoffeintrages (Reduktion Turbulenz- und Wind-induzierter Fließbewegungen) durch zu starke Reduktion des Windangriffs.
Strukturverbessernde Maßnahmen an der Harle
Artikel-Informationen
Ansprechpartner/in:
Dr. Oliver-David Finch
NLWKN Aurich
Oldersumer Straße 48
26603 Aurich
Tel: +49 4941 176-155